Rezension

Deutsch-deutsche Familiengeschichte

Die Dorfschullehrerin -

Die Dorfschullehrerin
von Eva Völler

Bewertet mit 4 Sternen

Durch eisige Kälte und hohen Schnee kämpft sich Helene vorwärts, sie hat die Orientierung verloren. Nach Kirchdorf will sie, das gefühlt am Ende der Welt liegt, direkt an der deutsch-deutschen Grenze. Tobias, der ortsansässige Arzt, ist unterwegs, um einem Baby auf diese Welt zu helfen und nimmt kurzerhand diese durchgefrorene Fremde mit. Ein kleines Mädchen wird geboren, ein neues Leben beginnt - für die kleine Helene, die gerade geboren wurde und auch die große Helene, die Dorfschullehrerin. Wir schreiben das Jahr 1961.

Helene kommt hierher, die Dorfbewohner begegnen ihr zunächst äußerst reserviert, aber schnell erobert sie diese  mit ihrer herzlichen Art. Das Zonenrandgebiet ist nicht besonders attraktiv und doch wollte sie genau hierher – warum? Das ist ihr Geheimnis, sie hütet es wohlweislich.

Die Autorin nimmt ihre Leser mit in den Osten, kehrt dann wieder zurück nach Westdeutschland. Helenes Familie hüben wie drüben lerne ich kenne, fiebere mit, hoffe mit ihnen. Das Leben in der damaligen DDR kenne ich nur aus Büchern und Erzählungen, kann mich aber gut in deren Ängste und Nöte hineinversetzen.  Immer schön aufpassen, dass man kein falsches Wort sagt, sich mit keiner Geste verrät. Wem ist zu trauen, wer spioniert hier wen aus?

Derweilen ist Helen im Westen die toughe Lehrerin, die ihrer Zeit weit voraus ist. Sie managt ab dem ersten Tag den Schulbetrieb, die Kinder lieben sie. Eine Überfliegerin, die viel Gutes bewirkt, auch die Liebe wird geschickt eingeflochten, nimmt neben der Ost-West-Geschichte einen großen Raum ein. Es kommt zu allerlei Missverständnissen und falschen Beschuldigungen. Attraktiv war das Gebiet entlang der innerdeutschen Grenze nicht mehr, die Handelsgeschäfte sind weggebrochen, viele weggezogen und doch bleiben viele ihrer alten Heimat treu.

Eva Völler hat mit ihrer Dorfschullehrerin einen sehr unterhaltsamen Roman geschrieben, so manche Träne musste ich wegblinzeln. Das Flüchtlingsschicksal, der Mauerbau (der angeblich nie im Gespräch war), Freundschaft und die Liebe bilden das Korsett, um das sich dieses Familienepos rankt. Da, wo Hessen an Thüringen grenzt, das Gebiet der Rhön, ist Schauplatz dieser deutsch-deutschen Geschichte. Das Fiktive trifft die vergangene Wirklichkeit. Zwangsumsiedelungen entlang der Grenze im Osten, Enteignungen und Massenfluchten waren ebenso real wie die allgegenwärtigen Stasikontrollen, die willkürlich vorgenommenen Inhaftierungen und das brutale Auseinanderreißen der Familien.  

Aus Frauensicht wird das nicht immer einfache Leben nachgezeichnet, deren Weg gesellschaftlich vorgegeben war. Arbeiten, heiraten, Kinder kriegen, ohne eigene Bedürfnisse anzumelden. Da war Helene in ihrer Eigenständigkeit so manchem ein Dorn im Auge. Die Figur der Dorfschullehrerin war deutlich überzeichnet so nach dem Motto – sie kam, sah und siegte. Das hätte ich mir ein wenig dezenter gewünscht, auch wenn ich ihr ansonsten sehr gerne gefolgt bin.

„Die Dorfschullehrerin. Was die Hoffnung verspricht “ ist der vielversprechende erste Teil um Helene und ihre Lieben. „Was das Schicksal verspricht“ lässt hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten, ich werde Helenes Weg weiterverfolgen.