Rezension

Die Anfänge vierer Frauen

Aller Anfang - J. Courtney Sullivan

Aller Anfang
von J. Courtney Sullivan

Bewertet mit 3 Sternen

Celia, Sally, Bree und April werden Zimmernachbarinnen, als sie auf dem Smith College, dem größten Frauencollege der USA, anfangen zu studieren. Der Roman der Autorin J. Courtney Sullivan, selbst eine Smith-Absolventin, begleitet die vier unterschiedlichen Frauen vom Beginn ihres Studiums bis ca. 6 Jahre danach, als die erste von ihnen Mutter wird. Angeblich hat die Autorin in diesem, ihren Eltern gewidmeten Roman, eigene Erfahrungen ihrer Studienzeit verarbeitet. 

Worum geht es? Hm. Das Smith College ist hoch angesehen, Mitglied der 'Seven Sisters', der sieben renommiertesten Frauencolleges der Vereinten Staaten. Zahlreiche prominente Absolventinnen sprechen für die anspruchsvolle Ausbildung, die die Studentinnen erhalten. Gleichsam ist die Universität aber auch für ihre emanzipierte Gemeinschaft bekannt und viele Studentinnen sind (laut Sullivan oft nur während ihres Studiums), lesbisch oder bisexuell, auch Transgender-Studentinnen sind angeblich keine Seltenheit. Die Emanzipation und Selbstbestimmung der Frau ist somit in 'Aller Anfang' ein wiederkehrendes Thema. Vergewaltigung, Verlobung aus Traditionsbewusstsein, sexuelle Auflehnung gegen die Eltern, Affären als 'Zeitvertreib' des alternden Mannes - das alles sind Aspekte, die die Mädchen durchleben. April, die in extremer Weise zur Aktivistin für die Rechte der Frauen wird, ruft diese dem Leser, so wie ihren Freundinnen, auch immer in Extremen ins Bewusstsein. 

Sullivans Roman ist aber nicht unbedingt ein Buch, das ein bestimmtes Thema propagiert. Wer z.B. ihren Roman 'All die Jahre' gelesen hat, erwartet vielmehr, dass das Leben der Hauptfiguren, ihre Charakterentwicklung und ihre Dynamiken untereinander den Kern des Buches ausmachen. Durch den ständigen Perspektivenwechsel unter den vier Mädchen und die Tatsache, dass sie sich, gerade in entscheidenden Lebensphasen, immer aneinander orientieren und gegenseitigen Rat und Halt suchen, ist der Ansatz dafür auf jeden Fall da. Leider reicht aber weder die Zeitspanne, die der Roman umfasst, noch das, was die Mädchen erleben, um diese Entwicklungen wirklich bedeutsam genug zu machen, damit sie das Buch ausmachen könnten. 

Hier schwirrt mir dann immer der Titel - viel passender als bei den meisten anderen Büchern - im Kopf herum: 'Aller Anfang' - das was Sullivan beschreibt ist für alle Mädchen jeweils nur der Anfang ihres Erwachsenenlebens. Sich im Beruf finden, eine Familie gründen, sich von (falschen) Vorbildern emanzipieren, zu seinen Überzeugungen und Gefühlen auch gegen Widerstände stehen - all' das erreichen die jungen Frauen gerade mal so, dann ist das Buch auch schon wieder vorbei. Wobei der Leser nicht umhin kann, zu denken, dass das wirklich interessante Leben für die vier gerade erst beginnt. 

Demnach schien mir die 'Emanzipationsthematik' teilweise künstlich aufgebläht, damit das Buch etwas mehr Gehalt erhielt, dass das Leben der Protagonisten schlicht nicht hergab. 

Ich kann mir vorstellen, dass die emanzipierte, offene Gesinnung, die die Autorin an ihrer Alma Mater aufgesogen hat, sie gleichsam für ihr gesamtes Leben prägt wie ihre Freundschaften, die sie dort geschlossen hat und dass sie dieser prägenden Phase ihres Lebens und den involvierten Personen mit 'Aller Anfang' ein Denkmal setzen wollte. Als solches vermittelt das Buch dieses 'Aufbruchsgefühl' ganz gut, doch Sullivan hat mit anderen Büchern schon sehr viel eindrucksvoller unter Beweis gestellt, wie gut sie Charakterstudien eines ganzen Lebens spinnen kann. 

Da sie persönlich aber auch noch nicht weiter ist als April, Celia, Bree und Sally, konnte sie in 'Aller Anfang', wenn der Roman denn auf persönlichen Erfahrungen fußt, auch nicht weiter in die Zukunft blicken. Er ist somit ein persönliches Werk, nicht aber unbedingt ihr bestes.