Rezension

Die Botschaft kommt an, für die Zielgruppe ab 13 Jahre könnte sie barrierefreier sein

How to be a girl - Julia Korbik

How to be a girl
von Julia Korbik

Bewertet mit 4 Sternen

Ein „echtes Mädchen“ soll gepflegt, gestylt, enthaart und geschminkt sein – kurz, den Anforderungen anderer Menschen entsprechen. Rollenzuschreibungen ordnen dem weiblichen Geschlecht ein  genormtes Aussehen und Verhalten zu. Wenn das biologische  Geschlecht einmal nicht spontan zuzuordnen ist, z. B. weil ein Baby gelb oder grün gekleidet ist, reagieren andere oft gereizt. Das Mädchen-Sein sieht Julia Korbik dagegen nicht als Erfüllung fremder Erwartungen, sondern als Lernprozess, in dem eine Jugendliche selbst entdeckt, wie sie sein will und was ihr guttut.

Wie du es machst, machst du es als Mädchen falsch. Wer Rollenerwartungen unreflektiert erfüllt, wird in Ruhe gelassen, wer mit Rollen experimentiert, muss sich abfällige Kommentare anhören und entscheidet sich damit für ein anstrengendes Leben. Dass für Frauen (anders als für Männer) in jeder Hinsicht Doppelstandards gelten, zieht sich ab hier wie ein roter Faden durch das Buch. Diese widersprüchlichen Erwartungen will Julia Korbik als Hindernisse von Gleichberechtigung entlarven. Normen zu erkennen und die eigene Reaktion auf das Verhalten anderer zu durchschauen sollen Leserinnen ab 13 von der Autorin lernen.

Der Mädchenratgeber stellt Frauenbilder infrage, die durch Serien und Werbung vermittelt werden, und macht deutlich, dass jedes Mädchen Teil des Problems ist, wenn sie selbst lästert, zickt und andere Mädels heruntermacht. Mit dem Girl Hate müsse Schluss sein, so die Autorin, Mädchen müssten ihr passiv-aggressives Verhalten ändern und lernen, sich Verbündete zu suchen.

Unterbrochen von eingeschobenen Kurzbiografien mutiger Frauen aus verschiedenen Epochen, setzt die Autorin sich mit dem Körperbild junger Frauen, dem Body Shaming, Slut Shaming,  mit Sexualität, sexualisierter Gewalt, Mobbing, aber auch mit jugendlicher Depression in der Pubertät auseinander. Leider fehlt gerade dem Kapitel über das Frauenbild in sozialen Medien die solide Basis, weil Korbik zwar behauptet, dass Instagram-Fotos häufig mit riesigem Aufwand im Studio entstehen und anschließend mit Photoshop  unrealistisch verfremdet werden, die Behauptung aber nicht an Beispielen demonstriert. Als Mutter weiß ich zwar zu schätzen, dass eine junge Autorin als neutrale Person Kritik an bestehenden Frauenbildern übt, die Kritik kann mich inhaltlich jedoch nicht überzeugen. Die Annahme vieler Jugendlicher, dass Influencer in Sozialen Medien doch sooo authentisch seien, bleibt also weiter zu entkräften ...

Auf einen historischen Rückblick auf die Frauenbewegung folgt die Ermutigung, selbst aktiv zu werden, sich öffentlich zu äußern und sich evtl. für Politik zu interessieren. Am wichtigsten ist mir als Mutter die Botschaft, dass jede junge Frau mit ihrem Verhalten selbst Teil von diskriminierenden Strukturen ist;  und auch der Info-Kasten mit Zahlen zur weltweiten Ungleichheit von Frauen auf S. 89 hat mich angesprochen.

Das Cover im Metallic-Look zeigt m. A. nach keine Diversität in den Frauenporträts, der im Alltag sichtbare Bevölkerungs-Anteil von Afroamerikanern und Asiaten fehlt. Das Bild signalisiert, weißes, europäisches Aussehen sei die Norm. Die Zusammenstellung der Frauenbiografien im Buch dagegen zeigt diverse Nationalitäten, Altersgruppen und Religionen.

Die Autorin will ihre jungen Leserinnen ermutigen und zu neuen Fragen inspirieren. Julia Korbiks Botschaften kann ich nur unterstützen, allerdings hätte ich bei feministischen Büchern stets gern eine niedrigere Schwelle, damit sie nicht nur sprachlich versierte Gymnasiastinnen, sondern alle Mädchen erreichen. Dazu gehört ein möglichst verständlicher Wortschatz und ein Aufbrechen einiger Textwüsten durch Zwischenüberschriften. Wer das Buch spontan aufschlägt, möchte vor dem Weiterblättern sicher gern auf einen Blick sehen, um was es auf der entsprechenden Seite geht.