Rezension

Die ganze Welt der Literatur in einem Buch

Wolkenkuckucksland -

Wolkenkuckucksland
von Anthony Doerr

Bewertet mit 5 Sternen

Wolkenkuckucksland ist ein Buch, das die gesamte Welt der Literatur in sich vereinen will – und dem das überraschenderweise erstaunlich gut gelingt.

Wolkenkuckucksland ist ein Buch, das die gesamte Welt der Literatur in sich vereinen will – und dem das überraschenderweise erstaunlich gut gelingt.

Das Buch ist ein historischer Roman, eine Dystopie, ein Thriller, eine griechische Komödie, ein Kriegsbericht und ein Liebesroman. Es nutzt die Chancen, die jedes Genre mit sich bringt und verflechtet sie zu einer einzigartigen Geschichte.

Dadurch bekommt die Handlung sehr viele Protagonisten, Handlungsorte und Zeiten. Hier zeigt sich das Talent des Autors: Er schafft es nicht nur für sich und die Leser die Übersicht zu behalten, jede Figur ganz nahe an die Leser heranzurücken und ihr seinen ganz eigenen Charakter zu geben. Er spielt darüber hinaus auch mit unzähligen Querverweisen. Der rote Faden ist die alte, fast zerstörte griechische Erzählung „Wolkenkuckucksland“. Doch darüber hinaus ziehen sich noch andere Parallelen durch die Erzählung, enthüllen Überraschungen und liefern Antworten. Das Buch ist extrem konstruiert, gibt mir dabei aber das Gefühl ganz natürlich zu sein. Das ist ungewöhnlich und bewundernswert.

Dabei ist das Buch historisch, futuristisch und aktuell. Es zeigt uns, was in der Vergangenheit schief gelaufen ist – Zerstörung, Tyrannei, Krieg und Fanatismus. Es zeigt was aktuell schiefläuft – Klimawandel, Egoismus, Ignoranz, Ausgrenzung und Kapitalismus. Und es zeigt, wie die Zukunft aussehen könnte.

Das Buch ist spannend, authentisch, gesellschaftskritisch, altklug, unterhaltsam und tiervernarrt. Die Geschichte bedient sich immer der Tiere, wenn die Menschen an ihre Grenzen stoßen: da ist eine Hündin, die ihr Herrchen rettet, wenn der seinem Elend entfliehen möchte. Da sind zwei Ochsen, die gutmütig und mit großer Anstrengung sinnlos schwere Lasten transportieren. Da ist eine Ameise, die einen Ausweg aus einer hoffnungslosen Situation zeigt. Und da ist eine Eule, die weiß, wie gut wir es haben, während wir immer weiter wollen. Die Tiere in diesem Buch machen uns Menschen deutlich, was uns zu Menschen macht: unsere Rastlosigkeit. Wir suchen immer nach etwas Besserem und wollen doch nur nach Hause kommen.

Damit hat das Buch alles, was die Literatur bieten kann: eine Botschaft, eine spannende Handlung, Figuren, die die Leser mitfühlen und mitleiden lassen, kluge Metaphern und Symbole, einen bunten Mix an Emotionen und jede Menge Antworten.

Am Ende habe ich das Gefühl das Buch lässt mich klüger zurück. Es präsentiert mir die gesamte Welt der Literatur und macht deutlich, wie wertvoll diese ist. Nur eine Frage bleibt am Ende in meinem Kopf zurück: wenn in dem Buch vor allem Eulen eine Rolle spielen und kein einziger Kuckuck – heißt das Buch nur Wolkenkuckucksland, weil es besser klingt als Wolkeneulenland?