Rezension

Die Geschichte einer Obsession – melancholisch, beklemmend, bewegend. Auf jeden Fall lesenswert.

Der Revolver - Fuminori Nakamura

Der Revolver
von Fuminori Nakamura

Bewertet mit 4 Sternen

Die Geschichte einer Obsession

Bei „Der Revolver“ handelt es sich um das Debüt des japanischen Schriftstellers Fuminori Nakamura. In Japan bereits erstmals im Jahre 2003 erschienen, brachte der Diogenes-Verlag dieses knapp 200-seitige Werk im September 2019 heraus.

Als der Student Nishikawa an einem regnerischen Abend niedergeschlagen und lustlos durch die dunklen Gassen Tokios spaziert, macht er einen zufälligen Fund: Neben einer männlichen Leiche entdeckt er einen Revolver. Von der Schönheit dieser Waffe fasziniert, nimmt er sie an sich. Schon bald kreisen seine Gedanken einzig um dieses Objekt, und es reicht ihm nicht mehr nur, die Waffe in seinem Besitz zu wissen: Nein, er hat das Gefühl, sie auch gebrauchen zu müssen.

Mit „Der Revolver“ ist Nakamura ein über weite Strecken spannendes und düsteres Erstlingswerk gelungen. Von Anfang an sind Leserinnen und Leser in einer melancholischen Stimmung gefangen, der Spannungsbogen steigt von Seite zu Seite, um dann in einem aufwühlenden Finale zu enden. Außerdem stellt sich die Frage: Wie wird es mit diesem jungen Studenten, dem die Welt durchaus offenstand, weitergehen? Wird er auch noch seinem letzten Begehren folgen?

In diesem Roman stehen der Revolver und die Macht, die er auf entsprechend disponierte Menschen ausüben kann, im Mittelpunkt. Dennoch ist diese Waffe m.E. lediglich ein aus dramaturgischer Sicht geschickt gewähltes Symbol: Nach und nach entwickelt der ursprünglich einsame Student, dem jeder Sinn im Leben abhandengekommen ist, eine wahre Obsession für die Waffe. Gibt es nicht im Leben eines jeden Menschen Objekte der Begierde, die über Durststrecken hinwegtrösten sollen und sich ins Zentrum der Gedanken stellen? Meiner Meinung nach ja. Geschickt gewählt ist der Revolver dennoch, da er als Tötungswerkzeug eine für alle ersichtliche Katastrophe förmlich heraufbeschwört.

Nishikawa ist ein junger Mensch, der sich selbst noch nicht so richtig gefunden hat, der sich eher treiben lässt, durch sexuelle Eskapaden, die teils auszuarten drohen, versucht, seinem ansonsten eintönigen und sinnlosen Leben etwas Glanz zu verleihen. Glücklich wird er dadurch nicht. Im Alter von sechs Jahren adoptiert, verlief sein Leben trotz schwieriger Voraussetzungen in durchaus geordneten Bahnen. Und dennoch scheint ihm etwas zu fehlen: Immer wieder wird deutlich, wie gleichgültig ihm alles ist – bis eben der Revolver in sein Leben tritt. Zum einen kann man beim Lesen durchaus Mitleid empfinden, zum anderen präsentiert sich der junge Mann jedoch auch passiv und antriebslos, was ihn mir gerade im Zusammenhang mit seiner Fähigkeit zur Selbstreflexion eher unsympathisch macht. Auch fiel es mir an manchen Stellen, z.B. als er die Waffe erstmals auf einen Menschen richtet, schwer, seinen Gedanken zu folgen. Jedenfalls ist es gerade diese Sinnlosigkeit gepaart mit fehlender Initiative, die diesen jungen Mann ins Verderben führen könnte.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive geschildert, was den Leser/innen hilft, sich in den Protagonisten hineinzuversetzen, und Betroffenheit hervorruft. Die Sätze sind prägnant und zum größten Teil recht kurz, was die Konzentration auf das Wesentliche, nämlich die innere Entwicklung des Protagonisten, lenkt. An einigen Stellen wird jedoch die düstere, ergreifende Stimmung unterbrochen, was mir persönlich ein wenig von der Intensität des Lesens nahm.

Insgesamt ist „Der Revolver“ ein verstörendes Debüt, das die Verlorenheit eines jungen Menschen treffend darstellt und die Lesenden in seinen Bann zieht. Mich selbst hat das Buch neugierig gemacht auf weitere Werke dieses Autors, und ich empfehle es gerne zur Lektüre weiter.