Rezension

Die letzten Monate der DDR - gut erzählt, exakt recherchiert

Mauerriss - Dieter Bührig

Mauerriss
von Dieter Bührig

Bewertet mit 5 Sternen

„…Ich träume von einem Land, in dem menschliche Würde über aller Ideologie steht…“

 

Man schreibt das Jahr 1979. Im Schloss Friedenstein in Gotha werden einige klassische Gemälde entwendet. In Wismar sollen sie gegen Devisen in den Westen geschleust werden. Der Deal muss abgebrochen werden.

Zehn Jahre später wird auf der Insel Poel eine schwerverletzte Frau gefunden. Nadine ist Journalistin.

Der Autor hat einen gut recherchierten Krimi geschrieben. Die Protagonisten sind ausreichend charakterisiert. Auf der Insel sind das der alte Leuchtturmwärter und der Pastor Laurentius. Beide sind von der norddeutschen Landschaft und den Eigenheiten der Gegend geprägt. Das zeigt sich besonders in ihren Gesprächen. Es fällt kein Wort zu wenig und kein Wort zu viel. Beim Schachspiel zwischen den beiden ist der Weg das Ziel, so hat es der Autor ausgedrückt.

In Wismar lebt die Malerin Beate. Ihr Vater gibt ihr den Auftrag, die Ermittlungen von Nadine weiterzuführen. Christian, ihr Verlobter, soll sie dabei unterstützen. Es geht um verschwundene Gemälde.

Die Geschichte um den Bilderraub macht nur einen Teil des Romans aus. Wie vom Autor bekannt, kommt das Thema Musik nicht zu kurz. Dorisa, Adoptivtochter des Fährmanns der Insel, hat eine begnadete Stimme. Allerdings hat sie Probleme, manche Buchstaben auszusprechen. Deshalb singt sie die Lieder auf einfache Silben.

Der Roman spielt größtenteils im Jahre 1989. Die letzten Monate vor der Maueröffnung  bestimmen die Rahmenhandlung. Sehr realitätsnah werden die politischen Entwicklungen wiedergegeben. Der zuerst eher leise Widerstand, die zunehmende Unsicherheit der Staatsorgane und die Suche nach einem dritten Weg sind nur einige der Themen. Der zukünftige Leser muss selbst die Atmosphäre auf sich wirken lassen. Jedes weitere Wort wäre hier zu viel.

Das Buch lässt sich zügig lesen. Der Schriftstil ist im gehobenen Bereich angesiedelt. Das zeigt sich in der exakten Verwendung von Fachbegriffen und politischen Termini, in den ausgefeilten Gesprächen und in der genauen Beschreibung von Land und Leuten. Dazu kommt, dass der Roman mit Vorspiel beginnt und Nachspiel endet. Man könnte sagen, er ist wie ein Musikstück komponiert.

Originaldokumente und Zeitungsausschnitte wurden kursiv eingefügt.

Das Cover mit dem Hafenbild passt zum Handlungsort.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die vielschichtige Handlung wurde geschickt in die politischen Verhältnisse gebettet. Dadurch wird ein Stück Zeitgeschichte lebendig, aber auch gezeigt, dass nicht alle Träume des Widerstandes gegen Stasi und Partei wahr wurden. Außerdem habe ich über die Wirkung von Musik einiges Neues dazugelernt.