Rezension

Drei Bücher in einem

Der Jonas-Komplex - Thomas Glavinic

Der Jonas-Komplex
von Thomas Glavinic

Bewertet mit 4 Sternen

In „Der Jonas-Komplex“ gibt es drei unterschiedliche Handlungsstränge, die sehr lange parallel laufen, ohne Berührungspunkte.

Es gibt ein Wiedersehen mit Jonas und Marie aus „das größere Wunder“. Manche Details sind anders, aber im Großen und Ganzen schließt die Geschichte dort an, wo sie aufgehört hat. Auch alte Freunde wie Zach tauchen wieder auf. Marie hat es sich in den Kopf gesetzt mit Jonas eine Expedition zum Südpol zu unternehmen. Allein, ohne Team. Jonas ist immer noch auf Sinnsuche… er hat unbegrenzt Geld zur Verfügung, aber viele Personen verloren, die ihm wichtig waren. Was soll er mit seinem Leben anfangen? Er kommt auf sehr seltsame Ideen, kann ich dazu nur sagen!

Außerdem lernen wir einen Jungen kennen, ich glaube 13 Jahre alt, der in Österreich unter schlimmen Umständen aufwächst. Er lebt bei einer Tante, die offensichtlich zu sehr mit ihrem eigenem Leben und ihren Süchten beschäftigt ist um sich um den Jungen zu kümmern. Trost findet er im Schachspiel.

Der dritte Handlungsstrang scheint eine Art Tagebuch des Autors während des Schreibens an dem Roman zu sein. So wirkt es jedenfalls, oder ist alles nur Fiktion? Zu wünschen wäre es ihm, denn hier wird vor allem Alkohol- und Kokainkonsum beschrieben.

Alle drei Hauptfiguren scheinen sich eine Frage zu stellen: „Wie soll man das Leben nur aushalten?“

„Der Jonas-Komplex“ ist mit seinen 752 Seiten recht umfangreich und war mir an manchen Stellen zu langatmig. Die verschiedenen Handlungsstränge haben erst ganz am Ende einen Berührungspunkt und zeitweise hatte ich das Gefühl einfach drei Bücher gleichzeitig zu lesen. Auch die Alkohol- und Drogenexzesse haben mich an einigen Stellen gelangweilt. Die letzten 50 Seiten haben aber einiges wieder wettgemacht und insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, mit einem kurzen Durchhänger. Ich habe auch viel gelacht! Man darf aber nicht zart besaitet sein, der Humor und die Beschreibungen können schon recht derb sein.

Ich bin ein großer Glavinic Fan und habe viele seiner Werke gelesen. Besonders beeindruckt hat mich immer, dass seine Bücher sehr unterschiedlich sind. Das finde ich toll! Ein neues Glavinic-Buch ist keine sichere Bank in der Komfort-Zone, sondern kann den Leser begeistern oder enttäuschen oder überraschen. Und das ist gut so! Das gefällt mir!

Wer noch kein Buch des Autors gelesen hat sollte lieber zuerst zu einem anderen greifen. „Das größere Wunder“ kann ich besonders empfehlen und es erzählt quasi auch die Vorgeschichte zum Jonas-Komplex. „Das bin doch ich“ und „Unterwegs in Namen des Herrn“ haben mir auch sehr gefallen.

Von mir gibt es 4 Sterne für den Jonas-Komplex und ich werde den Autor nicht aus den Augen lassen.

 

Am Ende möchte ich noch eine Anmerkung zum E-Book loswerden. Ich lese sehr viele E-Books und ich hatte schon lange kein Buch mehr, das so schlecht als E-Book dargestellt wurde. Ständig gibt es mitten in der Zeile Wörter mit Trennungsstrich. Das stört den Lesefluss erheblich. Wenn das ein- oder zweimal pro Buch vorkommt ist es mir egal, aber hier war es manchmal mehrmals pro Seite!

Kommentare

Naibenak kommentierte am 10. Mai 2016 um 12:35

Hey, das ist ja schön! Noch jemand, der mein Lieblingsbuch mag (Das größere Wunder)^^... und dieses Buch hier habe ich auch schon auf'm Schirm! Bisher kenne ich nur noch "Die Arbeit der Nacht" von Glavinic. Erst kürzlich gelesen und sehr fasziniert gewesen... "Das Leben der Wünsche" subbt bereits. Danke für die schöne Rezi!

TanyBee kommentierte am 31. Mai 2016 um 10:56

Danke für dein Lob :)

Mit hat ja auch "im Namen des Herren" sehr gut gefallen. Aber das ist vielleicht Geschmackssache.

Salome kommentierte am 11. Mai 2016 um 08:02

ich hole mir heute den Jonas-Komplex aus der Bücherei und freu mich schon sehr darauf....ich war auch begeistert von "das größere Wunder".

Philipp Buschatz kommentierte am 13. Mai 2016 um 16:09

Schön, dass es wenigstens eine Rezension zu diesem Buch auf wasliestdu gibt! 

Aber im Moment kämpfe ich noch etwas mit dem Buch - obwohl ich Glavinic auch sehr gerne mag, vor allem "Das Leben der Wünsche".

Die beschriebenen Exzesse langweilen mich ebenfalls gerade. 

Vielleicht habe ich auch nicht genügend Kondition für ein so dickes Buch, bin ja momentan eher auf der Kurzstrecke unterwegs... 

Philipp Buschatz kommentierte am 18. Mai 2016 um 15:50

So, habe dieses Buch jetzt auch geschafft. Ich mochte es. Größtenteils.

Nur mal so aus Neugierde:

hat dich (/haben euch) Jonas auch irgendwann so genervt?

Der mit seinem Selbstverwirklichungswahn! Der hat alles Geld der Welt, ist superintelligent, kann alles - und was macht er damit? Er muss neue Grenzen überschreiten. Andere Menschen interessieren ihn überhaupt nicht. Auch die Liebe zu Marie nehme ich ihm nicht ab. 

Man sollte ein Buch ja nie danach beurteilen, ob man eine wichtige Hauptfigur sympathisch findet oder nicht - aber ich konnte mit Jonas echt wenig anfangen. 

Oder könnte das auch von Glavinic beabsichtigt sein, dass man solche Gefühle entwickelt gegenüber Jonas? Dass man den mal ordentlich durchschütteln möchte? 

Die Geschichte um den Jungen in der Steiermark - die hat mich am meisten interessiert, die fand ich richtig stark. 

Der verkokste Wiener Schriftsteller - nun, der war meistens sehr unterhaltsam, brachte ein wenig Bukowski-Flair hinein. 

Aber insgesamt - 200 Seiten weniger hätten es doch auch getan, oder? 

TanyBee kommentierte am 31. Mai 2016 um 10:53

Huch, ich hatte die Kommentare hier gar nicht bemerkt!

Ja, mir ist Jonas auch total auf die Nerven gegangen zeitweise. Dieses Verstecken spielen fand ich total albern. Am Anfang wurde es mir immer zu kurz abgehandelt, aber als es dann länger beschrieben wurde (auf den Inseln) fand ich es auch doof. Glaube, dass ist gewollt das der Leser ihn da unsympathisch findet. Er scheint sich da ja auch selbst gerade nicht sehr zu mögen.

Da sieht man mal, wenn man viel Geld hat ist man auch nicht unbedingt glücklich.

 

Philipp Buschatz kommentierte am 18. Mai 2016 um 16:04

Ach, und noch eine Frage: habe gerade den Klappentext nochmal gelesen.

"eine Mörderin, die die Leichen ihrer Liebhaber mit einer Kettensäge zerlegt."

Habe ich da etwas überlesen? Wo kommt die Dame denn vor? 

TanyBee kommentierte am 31. Mai 2016 um 10:55

Habe es gerade nachgeschaut, dass steht tatsächlich im Klappentext. An die kann ich mich allerdings auch nicht erinnern??!?