Rezension

Drei Generationen - alles sehr real

Alle Nähe fern - André Herzberg

Alle Nähe fern
von André Herzberg

Eigentlich ist es eine Familiengeschichte, die Geschichte der Familie des Autors. Wieviel davon wahr ist, wieviel davon Fiktion ist, kann ich nicht beurteilen, ich denke aber, der größte Teil ist autobiografisch.
Es fängt an bei den Großeltern, wie sie sich kennenlernen, heiraten, die Kinder geboren werden. Es ist Anfang des 20. Jahrhunderts. Der erste Weltkrieg kommt, dann die Zeit der Wirtschaftskrise, aber vor allem die Zeit ab 1933. Die Famile Zimmermann, um die es in dem Buch geht, ist jüdisch. Arbeitsverbot, Verhaftung, Flucht. Inzwischen sind die Kinder größer und es geht nun, in der Zeit des 2. Weltkrieges und vor allem danach, um Paul, den Vater. Wie er Funktionär wird in der DDR, mit seiner Frau, die er im Londoner Exil kennen gelernt hat, nach (Ost-)Berlin zieht, und dem Paar zwei Söhne und eine Tochter geboren wird. Vom jüngsten Sohn, Jakob, wird dann weitererzählt.

Es ist wie ein Streifzug durch 120 Jahre, über drei Generationen hinweg, in einer Zeit, in der in Deutschland viel passiert ist. Auch innerhalb dieser Familie, bei der es immer wieder vor allem auch Väter-Söhne-Spannungen gibt. Es ist nicht Harmonie, sondern es ist vor allem der Kampf ums Abnabeln, der Selbstständigkeit, des Anders sein als der eigene Vater. Es geht um berufliche Orientierung, aber, und das wird in jeder Generation deutlich, auch um die politische Orientierung. In den 120 Jahren gibt es viele politischen Veränderungen, angefangen vom Kaiserreich, der Weimarer Repiblik, Hitlers Diktatur und dann den Kommunismus in der DDR. Zum Schluß dann wieder ein Umbruch, die Mauer fällt, die Wiedervereinigung und damit erneute Veränderungen.

Es ist eine interessante Familiengeschichte, doch sie bleibt sehr spröde, nüchtern. Es kam mir vor, als würden wir ein Familienalbum betrachten, immer wieder Szenen aus den diversen Leben der männlichen Zimmermanns. Angerissen, erzählt, doch fast emotionsfrei.
Für mich weniger ein Roman, eher eine Biografie. Ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen, aber es hat mich irgendwie nicht berühren können.
Es ist aber eine gelungene Aufarbeitung einer Familiengeschichte,  wenn man einmal in den ganz eigenen Erzählstil hinein gefunden hat.