Rezension

Väter und Söhne

Alle Nähe fern - André Herzberg

Alle Nähe fern
von André Herzberg

Bewertet mit 4 Sternen

Bei diesem Buch stolpert man zu allererst über die sehr eigenwillige Erzählweise. Scheinbar leidenschaftslos und monoton werden hier die Ereignisse geschildert, was  dann aber doch irgendwie Atmosphäre und Emotionen transportiert, wenn man sich dran gewöhnt hat. Das fasziniert auf eine ganz ungewohnte Art.

Auch die vielen sehr kurzen Kapitel erzeugen eine Art Sogwirkung. Man liest weiter und weiter und rutscht durch ein Jahrhundert.

 

Es erschließt sich eine Familiengeschichte, die mit Heinrich anfängt, der als aufrechter deutscher Jude im ersten Weltkrieg gekämpft hat, sich im Familienunternehmen etabliert, Erfolg hat, Geld hat, bis das Hitlerregime sein Leben auf den Kopf stellt. Seine Söhne Paul und Konrad haben es gleich gesagt, dass Deutschland für Juden im Augenblick kein guter Ort mehr ist und sich rechtzeitig ins Ausland abgesetzt. Aber Heinrich will nicht auf sie hören…

Der Fokus verschiebt sich. Wir folgen jetzt Paul und Konrad und später deren Söhnen, bis man mit Jakob, der die Geschichte eigentlich erzählt,  Militärdienst in der DDR absolviert, mit dem Regime hadert und den Mauerfall erlebt.

 

Vordergründig liest man hier die Geschichte einer jüdischen Familie. Es geht aber auch um Väter und Söhne, Erwartungen und Pflichten, unterschiedliche Ziele und Träume,  Generations- und Interessenkonflikte, die für sich genommen schon für Zündstoff sorgen können, in einem kritischen politischen Umfeld aber katastrophale Folgen haben können.

Da schlägt man den Bogen sogar bis zu Abraham, der auch einmal vor der Frage stand: Soll ich folgsam meinen Sohn töten, weil die Obrigkeit es verlangt?

 

Dieses Buch ist interessant und ungewöhnlich, bisweilen sogar erschütternd. Es zeichnet neben der Familiengeschichte ein lebendiges Bild  vom Leben in der Nazizeit und auch in der DDR und bietet reichlich Stoff zu Nachdenken.

Ich habe es gerne gelesen.