Rezension

Düster, atmosphärisch - ein meisterhaft geschriebener Thriller

Dunkle Gebete - Lacey Flint 1 - Sharon Bolton

Dunkle Gebete
von Sharon Bolton

Bewertet mit 5 Sternen

Ein kleines Stück entfernt schien eine Straßenlaterne durch ein Fenster herein. In ihrem sanften, orangegelben Lichtschein lag ein Schuh. Auf Zehenspitzen ging ich hin und bückte mich. Es war kein Staub darauf. Dieser Schuh war noch nicht lange hier. Er gehörte Emma. Ich wusste es.
Brotkrumen!, schrie die Stimme des gesunden Menschenverstandes. Das ist eine Brotkrumenfährte. Er lockt dich herein.
Der gesunde Menschenverstand siegte. Nichts wie raus hier. Gerade trat ich einen Schritt zurück, auf die Tür zu, als ich die Feuertreppe quietschen hörte. Draußen war jemand auf eine der Stufen getreten.
Also keine Fährte, sondern eine Falle.

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INHALT:
DC Lacey Flint ist nach einer Befragung von Opfern einer Straftat gerade unterwegs zu ihrem Auto, als etwas Schreckliches geschieht: Ihr fällt auf offener Straße eine blutende Frau in die Arme - und stirbt kurz darauf. Die Detective Inspectors Joesbury und Tulloch untersuchen den Fall und nehmen Flint unter ihre Fittiche. Anfangs soll sie sich zurückhalten, doch als sich die Morde häufen und eine Verbindung zu den Morden von Jack the Ripper gezogen werden kann, muss sie als Beraterin fungieren, weil sie sich in diesem Gebiet am Besten auskennt. Je weiter der Fall voranschreitet, desto mehr wird Lacey in die Sache hineingezogen - und befindet sich schließlich selbst in Gefahr...

MEINE MEINUNG:

SCHREIBSTIL
Sharon Boltons eindringliche Weise, ihre Geschichte zu erzählen, geht einem sofort unter die Haut. Sie schreibt detailliert und atmosphärisch, ohne dabei ausufernd zu werden; ihre Beschreibungen wirken so authentisch, dass einem in den grausamen Szenen durchaus ein Schauer über den Rücken läuft. Zarte Gemüter sollten das Ganze auf jeden Fall mit Vorsicht genießen: Die Morde sind brutal und blutig, bei den Einzelheiten wird nichts verschwiegen und nichts beschönigt. Das wirkt nie geifernd oder blutdurstig, erfordert zwischenzeitlich aber schon eine gewisse Festigkeit des Magens.

CHARAKTERE
Lacey Flint ist eine nicht ganz einfache Figur mit vielen Geheimnisse. Sie gibt wenig von sich preis und hält die Menschen in ihrer Umgebung mit ihrer kalten, unnahbaren und sarkastischen Art von sich fern. In dieser Hinsicht ähnelt sie dem DI Joesbury sehr - auch er ist dickköpfig, eher unfreundlich und kühl. Beide zeigen jedoch, dass sie nicht perfekt sind, sondern im Gegenteil menschlich, indem sie Fehler machen und auch einmal unerwünschte Gefühle die Oberhand gewinnen lassen. Eine interessante Figur ist auch Dana Tulloch, Detective mit Herz und Verstand, aber auch persönlichen Problemen, die immer wieder hochkommen. Insgesamt sind alle Charaktere sehr überzeugend gestaltet, sogar den letztendlichen Täter kann man in seinen Motiven tatsächlich mehr oder weniger verstehen.

STORY UND UMSETZUNG
Die wendungsreiche und gut ausgearbeitete Geschichte braucht keine ganze Seite, um einen völlig in das Geschehen hineinzuziehen. Unter anderem auch, weil der Roman mit der Szene um zwei einem zuerst unbekannte Mädchen beginnt, die in großer Gefahr schweben - und bei denen es sich erst am Schluss herausstellt, wer sie sind und was sie mit dem Ganzen zu tun haben. Aber auch allgemein gelingt es Sharon Bolton, einem hier eine Story zu bieten, die von Anfang bis Ende so überraschend und zwischenzeitlich erschreckend intensiv ist, dass sie einen kaum noch loslässt. Zugegeben, nicht alles war unvorhersehbar, die Verbindung zwischen Lacey und dem Täter konnte ich mir zum Beispiel denken, aber ansonsten wird der Leser immer wieder auf eine falsche Fährte geführt, wodurch keine Langeweile aufkommt. Und auch die Liebesgeschichte, die sich anbahnen zu scheint, wird so gering ausgewalzt, dass sie nicht nur viel Stoff für folgende Bände bietet, sondern mit den Zweifeln und den Enttäuschungen auch äußerst realistisch wirkt. Da freut man sich bereits auf das nächste Aufeinandertreffen von Joesbury und Flint...

FAZIT:
Sharon Bolton zeigt mit dem ersten Teil ihrer Lacey Flint-Reihe, "Dunkle Gebete", warum sie eine solch gefeierter Thriller-Autorin ist. Atmosphärisch, düster und mitreißend erzählt sie den mitunter sehr grausamen und blutigen Fall um einen Nachahmer des Rippers. Für Fans des Genres unbedingt empfehlenswert! 5 Punkte.