Rezension

Düstere und fesselnde Familiengeschichte

Was damals geschah -

Was damals geschah
von Lisa Jewell

Bewertet mit 5 Sternen

Der Roman beginnt mit einer erfreulichen Nachricht: Libby Jones erbt mit 25 eine noble Stadtvilla in Chelsea. Das Haus hat jedoch eine düstere Vergangenheit: Drei Leichen und ein unversehrtes Baby wurden darin gefunden. Man geht von einem Selbstmordpakt aus.

Parallel betreten weitere Personen die Bühne: Lucy lebt mit ihren zwei Kindern in Nizza in bitterer Armut und ist gezwungen, ihren gewalttätigen Ex-Mann um Hilfe zu bitten. Noch kann man die Figur nicht so recht in das Geschehen einordnen. Licht in das Ganze bringt ihr Bruder Henry, der uns in die 1980er Jahre und nach Chelsea versetzt. Er ist in der besagten Villa aufgewachsen und rekonstruiert, was sich dort über mehrere Jahre hinweg zugetragen hat. Die Leichen ließen bereits Unheil erahnen, doch was Henry schildert, stellt jede tragische Familiengeschichte in den Schatten. 

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, einige Figuren auseinanderzuhalten, doch schon bald war ich völlig gefangen in der Geschichte, zumal die einzelnen Geschehnisse und auch kleine Details immer mehr einen Sinn ergeben. Die Spannung entsteht besonders dadurch, dass sich nicht nur zwielichtige Personen, sondern mit ihnen auch das Unglück in Henrys wohlhabende Familie einnisten. Diesen Part erzählt die Autorin in der Ich-Form und ist dabei so nah an Henrys Figur, dass ich jede Minute mit ihm litt - angefangen von den harmlosen Teenagerproblemen bis hin zu seiner Wut und Hilflosigkeit angesichts der Katastrophe, auf die die Wohngemeinschaft zusteuert. Ebenso spürte ich das Machtgefüge zwischen den Bewohnern und die beklemmende Atmosphäre im Haus.

Raffiniert führt Lisa Jewell die einzelnen Erzählstränge zusammen, überrascht mit Wendungen und lässt uns schaudern angesichts der Machtgier und Scheinheiligkeit von Menschen und zu welcher Tyrannei und Manipulation sie fähig sind.