Rezension

Durchaus lesenswert, aber nicht einfach

Tauben im Gras - Wolfgang Koeppen

Tauben im Gras
von Wolfgang Koeppen

Autor:
Der Roman "Tauben im Gras" erschien 1951 im Scherz und Goverts Verlag und wurde von Wolfgang Koeppen geschrieben. Es handelt sich hierbei um einen Gegenwartsroman der Nachkriegszeit. Koeppen hat auch noch zwei andere Werke zu dieser Epoche geschrieben, aus denen sich die Trilogie des Scheiterns ergibt. Für diese erhielt er 1962 den Georg Büchner Preis, da seine Werke erst sehr spät positive Rückmeldungen ergaben. Danach schrieb er allerdings nur noch Reiseberichte, weil er sich in einer Schreibkrise befand.

Inhalt:
Koeppen stellt in diesem Roman insbesondere die Gesellschaft der Nachkriegszeit dar, indem er durch verschiedenste Charaktere die vielfältigen Lebensbedingungen der Bevölkerung beschreibt. Außerdem gibt er Einblick in die düstere und eher pessimistisch gesehene Welt der Nachkriegszeit.

Sprache:
Wolfgang Koeppen hat einen ganz besonderen Schreibstil: Er ist nicht monoton gleichbleibend, sondern sehr abwechlsungsreich, weil er diverse Techniken einsetzt. So wechselt sich beispielsweise die erlebte Rede mit Bewusstseinsströmen ab und ab und an kommentiert Koeppen mithilfe eines auktorialen Erzählers auch selbst. Diese verschiedenen Erzählperspektiven machen den Roman zwar lebhafter, aber es wird für den Leser problematisch, wenn er die einzelnen Perspektiven nicht mehr unterscheiden kann. In dem Fall würde der Leser eventuell das Interesse an dem Roman verlieren, weil als Folge daraus auch die Charaktere schwerer zu durchschauen sind.
Allerdings ist es auch wichtig zu erwähnen, dass die Bewusstseinsströme besonders schön geschrieben sind. Dadurch, dass sie so strömend geschrieben sind, gerät der Leser in einen Lesefluss, der ihn zum Weiterlesen zwingt. Sehr schade ist allerdings, dass der Lesefluss bei einem Charakterwechsel sofort abbricht und nicht einmal in geringem Maße aufrecht erhalten wird. Insgesamt ist Koeppens Schreibstil aber sehr flüssig lesbar, was auch an detaillierten Beschreibungen liegt, wodurch er die perfekte Nachkriegsathmosphäre kreiert. Dadurch kann der Leser sich sehr gut in die damalige Welt hineinversetzen, was das Verständnis der Figuren verbessert.

Charaktere:
Gleichzeitig geht mit den Charakteren aber auch eine gewisse Problematik einher, weil es sehr viele sind und ihre Handlungsstränge sich stark vermischen. Oft hat der Leser Details über die Figuren bereits vergessen, bevor sie wieder erwähnt werden. Es fällt dementsprechend sehr schwer die Charaktere näher kennenzulernen oder sie zu verstehen. Man muss also sehr genau lesen, um auch wirklich die Feinheiten des Romans zu entdecken bzw. zu begreifen. Gut gefällt mir aber, dass die Charaktere alle unterschiedliche Personen der Gesellschaft repräsentieren, weil Koeppen sehr gut erkannt hat, welche Charakterzüge dafür jeweils erforderlich sind. Die Gestaltung dieser eher zweckmäßigen Figuren gelingt ihm also sehr gut. Wenn der Leser allerdings Probleme hat, die Charaktere zuzuordnen und der Handlung zu folgen, erkennt er dies gar nicht, was sehr schade ist. Die schönen Dinge des Romans bemerkt man leider erst, wenn man sehr genau liest und dabei nicht abgelenkt wird.

Handlung:
Aus der Problematik mit den Charakteren ergibt sich auch eine Problematik für die Handlung: Jeder Charakter hat seinen eigenen Handlunsstrang, den man verfolgen muss, da sie ganz am Ende langsam zusammenlaufen. Wenn man aber Details sofort wieder vergisst, ist dies nicht möglich, sodass die einzelnen Stränge sehr langweilig wirken. Zudem ist nicht immer eine wirkliche Handlung erkennbar, sodass der Leser keinen Sinn im weiterlesen sieht. Man weiß größtenteils überhaupt nicht, was man von dem Buch erwarten soll, und da es keine offenen Fragen gibt, hat der Leser auch kein Bedürfnis weiterzulesen. Dementsprechend gibt es keinerlei Spannung in dem Roman und auch der flüssige Schreibstil kann da nicht mehr viel ausrichten. Nun ist eher das Druchhaltevermögen des Lesers gefragt, und wie genau er liest - denn daraus ergibt sich auch das Interesse an dem Buch. Wenn man sehr genau liest und auf die Details achtet, entdeckt man viele schöne Dinge und wird dadurch zum weiterlesen bewegt.

Der Roman ist aufgrund seines Schreibstils durchaus lesenswert, allerdings macht er es dem Leser nicht einfach: Man muss sehr konzentriert und genau lesen, um das Interesse an dem Buch aufrechzuerhalten und wird mit einer großen Zahl an unterschiedlichsten Charakteren konfrontiert. Wenn man aber genauer hinsieht, erkennt man ein leicht pessimistisch angehauchtes Spiegelbild der Gesellschaft der Nachkriegszeit, welches besonders für Leser interessant sein könnte, die keinen direkten Bezug mehr zu dieser Zeit haben.