Rezension

Ein gelungenes Debüt

Die Sommer - Ronya Othmann

Die Sommer
von Ronya Othmann

Bewertet mit 4.5 Sternen

Leylas Mutter ist Krankenschwester und war häufig in den arabischen Ländern unterwegs. Der Vater, ein jesidischer Kurde, flüchtete aus seiner Heimat. Beide verliebten sich, sie heirateten und Leyla ist ihr erstes und einziges Kind. Sie besucht ein Gymnasium in München und verlebt sämtliche Sommerferien in der Heimat ihres Vaters. Bei den Großeltern und im Kreis der großen Verwandtschaft. Hautnah erfährt sie, wie der Krieg begann und welche Verwüstung er anrichtete. Die Sorge um die Großeltern lässt sie kaum zur Ruhe kommen, zumal sie nicht mehr zu ihnen Reisen kann.

 

Nicht nur der Gedanke an ihre Großeltern in Syrien machen Leyla das Leben schwer. Sie hört die Erlebnisse des Vaters als er ein Junge war und sieht im Fernsehen, welchen Druck die Jesiden bis heute ertragen müssen. Ungerechtigkeit, Flucht und die Suche nach dem Warum bestimmen die Erzählungen im Buch. Die Autorin öffnete mir die Augen über die Situation von Minderheiten in Syrien. Welche Position Assad in dem Wirrwarr innehat und was der IS mit den vielen Toten zu tun hat. Aber auch die Situation der Flüchtlinge macht sie deutlich. Wie schwierig es für alle ist, das Kriegsgebiet zu verlassen, welche Rolle die Türkei dabei spielt und auch den alltäglichen Rassismus lässt sich nicht unkommentiert.

 

Auffallend ist, dass die Autorin keine Anführungszeichen verwendet. Das war anfangs für mich gewöhnungsbedürftig. Aber die gravierenden Unterschiede der Kulturen erfasste sie völlig. Ein Beispiel: „Stimmt es wirklich, dass es in Almanya Häuser gibt, in die ihr eure Eltern bringt, wenn sie alt und krank werden?“ In der Heimat von Leylas Vater undenkbar. Trotzdem, die Jesiden haben ein schweres Leben in Syrien. Sie dürfen nicht heiraten, kein Land kaufen und nicht in die Stadt ziehen. Sie werden nicht anerkannt, bleiben immer „Ausländer“.

 

„Die Sommer“ ist eine Mischung aus Tagebuch und Roman. Nicht immer war es für mich einfach, dem Geschehen zu folgen. Aber es ist ein Debüt und ich bin davon überzeugt, dass wir von der jungen Autorin noch viel Lesen werden.