Rezension

Ein namenloser Mensch erzählt aus seinem Leben...

Ich, Sperling -

Ich, Sperling
von James Hynes

Bewertet mit 4 Sternen

Antike, 4. Jahrhundert

Ein namenloses Kind, ein Junge, krabbelt durch eine Küche, in der eine ebenso namenlose, aber wütende Köchin Fische zerlegt. Sie wirft dem Kind die Fischköpfe zu. Das Kind (geraubt? verkauft!) lebt in einem Bordell. Ein brutaler Einstieg in den Roman, was soll diese Anfangsszene uns sagen? Nicht mehr als dass das Kind weit unter der Sklavin steht. Es ist ein Nichts. Der brutale Ex-Soldat Audo, Aufseher im Bordell, befiehlt der Köchin, den Jungen zu erziehen, zusammen mit einer Wölfin.

Der Roman ‚Ich, Sperling‘ spielt in der Antike, im Vierten Jahrhundert anno domini. Im spanischen Carthago Nova. Das römische Reich ist im Zerfallen. Die Christen dominieren mittlerweile mit ihrer Religion. Die alten Sitten verfallen, doch christliche Heuchlerei nimmt ebenfalls zu.
Der namenlose Junge wächst  in dem römischen Bordell auf. In der Küche bei der Köchin, die nichts anderes als ‚Köchin‘ geheißen wird. Die gebildete Euterpes, eine der ‚Wölfinnen‘ genannten zwangsprostituierten Sklavinnen, nimmt sich mit der Köchin dem kleinen Jungen an. Beide Frauen lehren ihm die Welt… (zuerst im Bordell, dann in der Stadt…). Bereits als kleiner Junge kennt er nichts anderes als Arbeit und Schläge. Doch es kommt noch schlimmer, er muss ins Obergeschoss
(dort, wo die Frauen arbeiten, und muss als Lustknabe dienen). Euterpes erklärt ihm, dass Sklaven nichts anderes als ‚Dinge‘ sind, es gibt die ‚ dominus‘ und eben die ‚Dinge / die Sklaven und Sklavinnen‘. Der Junge erhält viele Namen, Puces (was einfach nur Junge heißt), Maus, Sperling, Kleiner, Antichous, und weitere. Er selbst nennt sich irgendwann Jakob.
Wissensbegierig und auf der Suche nach gefühlsmäßiger Annäherung an seine Wölfinnen, erlebt und erleidet er den engen Rahmen seiner Welt. Aus seiner Sicht beschrieben: Ich - der Sperling.

Der Roman ist harter Tobak. Nichts für zarte Gemüter. Aber wann war die Menschheit schon etwas für zarte Gemüter? Der Autor beschreibt seinen Roman aus der ersten Person Singular, der erzählende Sperling. Für Geschichtsinteressierte ein packender Stoff, interessant und gut recherchiert beschrieben.
Der Autor erklärt in seinen Anmerkungen, dass der Roman ein Fiktiver ist, er jedoch sein Wissen aus vielen wissenschaftlichen Büchern zusammengestellt hat (ein Anhang führt Bücher und Aufsätze auf). Dass diese Welt in der Antike (griechische, römische Antike) eine brutale Gesellschaft war ist belesenen Menschen bekannt – eine Sklavenhaltergesellschaft, in der wenige Herren (buchstäblich, denn auch ihre Frauen standen in der Hierarchie weit unter ihnen, danach kamen die Sklav:innen) das Sagen hatten. Auf die Vorstellungen der antiken Welt beruhen viele menschliche Errungenschaften der modernen Welt. Zum Glück demokratisiert, obwohl es weltweit immer noch Gesellschaften, Nationen, Kulturen gibt, wo der einzelne Mensch keinen Wert besitzt (Kanonenfutter, Organspender, Arbeitstier in ähnlicher Weise wie in der Antike, ohne Namen dieser boshaften Kulturen zu nennen). Es gibt auch heute noch Kulturen, wo Lesen restriktiv behandelt wird, wo das Internet eingeschränkt wird von den Herrschenden.

Es ist ein Roman, der nachdenklich macht über diese beschriebene Zeit, über unsere Zeit, über die Kulturen, in denen unsere ‚Freiheit‘ nicht gilt. Über eine Welt, in der acht Milliarden Menschen leben, von denen der größte Teil immer noch in einem fast Zustand wie in der, in dem Roman beschriebenen, Antike lebt. Zwar nicht unbedingt Sklave genannt, aber fast genauso rechtlos. Es erinnert an ‚Spartacus‘ und die Sklavenaufstände, es erinnert an Revolutionen, wo sich Menschen gegen die Unterdrücker gestellt haben…

Das bunte Umschlagsbild zeigt einen Vogel, ein Sperling (das Vögelchen, wie ihm von seiner geliebten Euterpes erklärt wird, das fliegen und hüpfen kann und sich daher aus der Hierarchie der Vögel etwas erheben kann). Dieses Beispiel führt den Jungen, den Mann dann durchs Leben… wird es zu schlimm fliegt er in Gedanken davon...Und doch erlebt der kleine Sperling auch schöne Momente. Das Umschlagsbild ist ein Bild aus Mosaiksteinchen zusammengesetzt, wie sie oft gefunden wurden an antiken Plätzen…