Rezension

Ein netter cosy Krimi zum Feierabendlesen.

Bitterer Calvados - Catherine Simon

Bitterer Calvados
von Catherine Simon

Bewertet mit 4 Sternen

Ein netter cosy Krimi aus Deuville zum Feierabendlesen oder um einen verregneten Sonntag zu überbrücken, der durch einige gesellschaftskritische Aspekte aufgewertet wurde.

Bitterer Calvados ist ein netter cosy Krimi aus Deuville, die dritte Folge mit dem Kommissare Leblanc.

Klappentext fasst die Ausgangssituation treffend zusammen: „Deauville im Frühling. Bereits zum fünften Mal lockt der Ort mit seinem Krimi-Festival "Mord am Meer" die Besucher an. Und diesmal ist es den Organisatoren sogar gelungen, den berühmten Bestsellerautor Jean-Paul Picard für eine Lesung zu engagieren. Der Autorenabend ist ein voller Erfolg. Doch am nächsten Morgen liegt Picard tot in seiner Hotelsuite. Das Letzte, was er zu sich genommen hatte, war ein Calvados – und der hatte es in sich: Picard wurde vergiftet. Bei seinen Ermittlungen trifft Kommissar Leblanc auf missgünstige Autoren, gierige Verleger und weibliche Fans, die es faustdick hinter den Ohren haben.“

In etwa bis zur Hälfte gefiel mir der Krimi ganz gut: es gab einen Mord, eine Ermittlung, die Leblanc zusammen mit seiner Kollegin Nadine, die professionell immer besser wird, durchführte, und eine zarte Liebesgeschichte, denn Leblanc ist frisch verliebt und schwankt im Takt der Frühlingsgefühle. Gute französische Küche wie leckere Törtchten aus den geschickten Händen der Leblanc Angebeteten sorgen für Leibeswohl und Gemütlichkeit.

Wie bei jeder Folge zuvor, gibt es auch hier ein zentrales Thema, das besondere Aufmerksamkeit genießt: Wie Bestseller und Star-Autoren gemacht werden. Man wohnt gleich zu Anfang der wohl inszenierten Lesung des gefeierten Krimi-Autors bei, sieht sein heldenhaftes Auftreten, das ganze Brimborium drum herum, hört die Gespräche der weiblichen Fans, etc. Dem Bestsellerautor wurden folgende Worte in den Mund gelegt: „… die meisten Kriminalromane seien schlampig geschrieben, schlecht recherchiert und so langweilig, dass sie die Leser einschläfern würden.“  S. 119. Die Äußerungen des Verlegers des verstorbenen Stars sind aber noch aufschlussreicher, griffig formuliert und überzeugen auf ganzer Linie, sodass keine Zweifel entstehen, dass es sich so in etwa auf dem Büchermarkt auch in der Realität abspielt. Den Lesern wird plastisch vor Augen geführt, wie ein Bestsellerautor gemacht wird und was hinter der glamourösen Fassade steckt. Ironisch ist die Auflösung dieses Mini-Stranges um den geschäftstüchtigen Verleger.

Schön war auch das Wiedersehen mit den anderen Figuren aus den früheren Folgen. Die Geschichte von Leblancs Mutter, die bei ihrer Schwester in Versailles nach dem Tod ihres Mannes unterkam, wurde recht unterhaltsam weitergesponnen. Nun will sie einen afrikanischen Krimiautor heiraten, der genauso alt ist wie Leblanc, und sich als seine vierte Frau seiner Familie in Kamerun anschließen. Vergleiche der europäischen und afrikanischen Lebensstile treten in Leblancs Gedanken hervor, regen zum Nachdenken an und wirken bereichernd insgesamt. Leblancs zwei weitere Dauerfreundinnen kommen hier auch wieder vor und sorgen für ein nettes Wiedersehen.

Insg. fühlte ich mich gut unterhalten. Eine nette Geschichte, die manchmal auch gesellschaftskritisch wirkte, denn Kritik am räuberischen Verhalten der Großkonzerne in Afrika, Schicksal der einfachen Afrikaner und der Zustand des dortigen Ackerlandes (S. 129) kamen ebenso zur Sprache wie das Kasperletheater auf dem Büchermarkt in Europa.

Es gab leider auch einige Dinge, die mein Lesevergnügen geschmälert haben:

Spätestens nach den ersten siebzig Seiten drängte sich der Eindruck auf, dass es insg. zu viel erklärt wurde. Manche unnötige Kommentare und naive Fragen aus Leblancs Mund (S. 128) hätte ich dort lieber nicht gesehen, genauso wie manche Klischees wie Wodka flaschenweise konsumierenden Russen an der Bar, die angeblich in Drogen- und Goldgeschäfte verwickelt sind. Die wurden gleich paar Mal hervorgeholt und ich musste an unbeholfene Lückenfüller denken. Einige Stellen mit überflüssigen Adverbien katapultierten mich paar Mal aus dem Lesefluss. Manche Dialoge wirkten gestellt und luden zum Pause-Einlegen ein.

Der Fall an sich erschien mir wenig spektakulär. Manches daran schien mir wie aus dem letzten S. King Roman abgeschaut.

Die Spannung ließ in der zweiten Hälfte nach, durch die weitschweifigen Beschreibungen der unsinnigen Aktionen des liebestollen Leblancs wirkte der letzte Drittel langatmig, bis die Auflösung (endlich) über die Bühne gebracht wurde.

Fazit: Ein netter cosy Krimi aus Deuville zum Feierabendlesen oder um einen verregneten Sonntag zu überbrücken, der durch einige gesellschaftskritische Aspekte aufgewertet wurde. Ich bin auf den nächsten Fall gespannt und vergebe vier Sterne, gute Portion Wohlwollens vorausgesetzt, samt der Empfehlung für Liebhaber/innen der gemütlichen Regio-Krimis.