Rezension

Ein Privilegierter rät mir, wie ich glücklicher sein könnte: absurd und vermessen.

Glück im Unglück -

Glück im Unglück
von Constantin Schreiber

Bewertet mit 3 Sternen

Hat mich nicht glücklich gemacht. Im Gegenteil.

In Zeiten des Krieges in Europa und in Zeiten einer Pandemie versucht Constantin Schreiber, Mut zu machen. Dazu nimmt er die Leserschaft mit auf die eigene Reise zu mehr Glück in seinem Leben. Dabei ist der Consti eh schon ein Glückskind: klug, gebildet, gutes Elternhaus, behütete Jugend, er ist jemand, der mit einem  besonders auskömmlichen Job plus hohem Spaßlevel gesegnet ist, nicht, dass Consti nix arbeiten müsste, nee, muss er und er arbeitet sogar sehr viel und zum Teil wie besessen, aber es ist eben der Traumjob und wer hat den schon, eine funktionierende und liebende Familie weiß er an seiner Seite, Freunde, Gesundheit, alles vorhanden: es wäre sträflich, wenn Constantin nicht glücklich wäre! 

Dennoch liest man es gerne, wie er die Musik, die ihm in seiner Jugend viel Freude bereitete, für sich wiederentdeckt, wie er das Augenmerk darauf legt, bewusst zu leben und immer wieder vom Beruflichen abzuschalten. Sicher, wenn der Autor, der immer schon gerne reiste, wieder Lust darauf bekommt und sich deshalb ruckizucki mal 14 Tage Ägypten gönnt, so zwischendurch neben dem Familienurlaub, einfach so für sich, könnte man das sehr persönliche Büchlein „Glück im Unglück“ durchaus in den falschen Hals bekommen - oder wenn er uns erzählt, wie gerne er teuer und gepflegt essen und trinken geht. Aber gönnen wir es ihm!  Constantin Schreiber ist es immerhin bewusst, wie privilegiert er lebt. 

Der Autor bringt seinen Lesern den Wert von bewusstem Leben nahe und versucht, das Glück „chemisch aufzuarbeiten“. Das Büchlein soll ja ein Sachbuch sein. Die Passagen über das, was Glück ist und was nicht, sind nicht besonders gewinnbringend, wie auch, dafür ist das Buch zu kurz und Constantin Schreiber ist kein Experte. Weder Chemiker noch Biologe oder Psychologe. Allgemeinplätze über Glück lässt er nicht aus. Oder sagen wir mal so, es ist nichts Neues, was er zu berichten hätte. Das, was Sachbuch sein soll an dem Büchlein, ist kalter Kaffe oder alter Hut. 

Obwohl das Buch kein großer Wurf ist, liest man die Einlassungen des Autors über seine persönliche Glückssuche beziehungsweise seine Glücksverstärkungsmechanismen gerne, wenn man sich auch gelegentlich am Kopf kratzt und sich fragt, wem sagst du das? Den anderen Reichen und Privilegierten in deinem Umfeld? Wir Normalos haben ganz andere Sorgen. Wenn man aber dennoch so ganz allgemein, also auch ich, darüber nachdenken soll, was einen glücklich macht, damit man sein Glückskonto füllen könnte, wie Consti es vorschlägt, nun, ich wäre über eine grundlegende Umverteilung des Kapitals glücklich. Also über eine Revolution. Das aber wiederum würde Consti wohl unglücklich machen. Eine Zwickmühle. Einer weint immer. 

Fazit: Ich kann das vorgelegte Büchlein nicht richtig ernst nehmen, aus vorgenannten Gründen. Aber immerhin haben wir Consti ein bisschen besser kennengelernt. 

Kategorie: Erfahrungen.
Verlag: Hofmann & Kampe, 2023

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 20. April 2023 um 19:08

Klingt jetzt nicht so, als müsste man das lesen... Bei den gelegentlichen Trips vom Consti denk ich doch an den Schönheitschirurgen, der im Stau steht und sich einen Heli kauft, damit ihm das nicht noch mal passiert. Könnte man vielleicht einen Ratgeber für die oberen 10000 draus machen: Nie mehr im Stau stehn...

 

wandagreen kommentierte am 21. April 2023 um 00:42

Aber er ist nicht eingebildet, glaub ich. Auch nicht richtig abgehoben. Konsti-Bonus, wie gesagt.