Rezension

Ein Roman zum Träumen!

Traumsplitter - Tanja Heitmann

Traumsplitter
von Tanja Heitmann

Rezension

Ellas Rückkehr nach Sandfern gestaltet sich überraschend: Nicht nur, dass ihr Halbbruder die Villa ihrer verstorbenen Großtante nicht, wie versprochen, in Schuss gehalten hat. Auch Kimmi, alias Konstantin, ihr Neffe, hat sich seit dem letzten Zusammentreffen der beiden drastisch verändert. Und als ob dies nicht genug wäre, steht kurze Zeit später Adonis persönlich vor ihrer Haustür. Nachdem Gabriel sich als potenzieller neuer Untermieter geoutet hat, scheint die Lage sich zunehmend zu entspannen - bis Ella das erste Mal von Gabriel träumt und dabei feststellen muss, dass er nicht nur ein Trugbild innerhalb ihrer Träume ist - sondern wahrhaftig in Ellas Träumen wandelt. Doch der Preis für diese Gabe scheint unermesslich und bald schon müssen beide feststellen, dass dieser Preis vielleicht zu hoch ist, um ihn bezahlen zu können.

"Traumsplitter" von Tanja Heitmann beginnt zunächst als eine Geschichte, in der eine normale junge Frau (Ella) ihr Glück in Sandfern sucht. Als Fotografin will sie in ihrer Heimat Fuß fassen und sich mit ihrem Halbbruder und dessen Frau und Sohn ein netten Umgang aufbauen. Durch den flüssigen Schreibstil der Autorin kommt man leicht ins Geschehen rein. Mit viel Charme und Leichtigkeit lernt man die Umgebung Sandferns kennen und kann sich auch schon bald mit den Charakteren identifizieren. Der Leser fühlt sich sofort in der geschaffenen Atmosphäre wohl und sowohl Ella als Protagonistin, Kimmi, ihr Neffe, welcher einen sehr ausgeprägten Hang zu humorvollen bis ironisch-sarkastischen Witzen und Aussagen pflegt, als auch Gabriel wachsen einem sofort ans Herz. Die Charaktere glänzen beim Leser vor allem durch Authentizität innerhalb ihrer Handlungen. Ella entspricht nicht dem klischeehaften Frauenbild, welcher oft im Mainstream durch Begriffsstutzigkeit oder Sturheit negativ auffällt. Erfrischender Esprit und Klugheit sind wesentliche Züge ihrer Charakters, der sich auch als offen und herzensfroh zeigt. Gabriel wirkt durch seinen Charme und seine humorvolle Ader überaus anziehend. Einen leichten Hang zur Melodramatik fällt ihm jedoch anheim, vor allem, wenn es um seinen Handel mit dem Inkubus geht, durch den er die Gabe, in Träumen zu wandeln, erhalten hat. Kimmi indes bietet die perfekte Balance zwischen Schwermut und Humor, sodass der Leser nie mit zu vielen Emotionen oder auch sich wiederholenden Wesensinhalten zu kämpfen hat. Besonders gelungen ist die Entwicklung der Hauptprotagonistin und ihres Neffen, die beide einen riesigen Persönlichkeitssprung hinlegen. Beide befinden sich an Kreuzungen, an denen sie ihren Weg wählen müssen und sie kämpfen beide mit den Schwierigkeiten und Zweifeln, die bevorstehenden Entscheidungen anhaften. Tanja Heitmann schafft es, diese Entwicklungen und die innere Zerissenheit beider Charaktere nachvollziehbar darzustellen und authentisch zu begründen.

Zwar zeigt sich die erste Hälfte des Romans doch etwas arm, was die Phantastik angeht, doch ändert sich dies zunehmend mit fortschreitender Seitenzahl. Die Thematik des Träumens ist hierbei der Kernpunkt, welcher auch die Ursache für die gesamten Begebenheiten, Emotionen, sowie Handlungsgeschehnisse trägt. Tanja Heitmann schafft es, dass Potenzial ihrer Idee auszuschöpfen, welche durchaus komplex und nicht leicht zu verstehen ist. Oftmals verliert man sich selbst im Sumpf der Träume, sodass die Grenzen zwischen Traum und Realität verwischen und nur schwer trennbar auseinander zu halten sind. Passend zu den Träumen wird hierbei das Medium Spiegel eingesetzt, welches die Traumwelt, deren Inhalte und Vorgänge nochmals beleuchtet und zum Ausdruck bringt. Der Inkubus, welcher als Lohn starke Träume von seinen Bediensteten erwartet, wird durchaus nicht als "Böses" dargestellt . Er erhält eine wahrhaft einzigartige Zeichnung, sodass man nie vorausahnen kann, wann dessen Stimmung umschlägt und zu welchen Mitteln er greift, um seine Ziele zu erreichen. Besonder trickreich gestaltet sich vor allem das Ende und somit der Höhepunkt der Ereignisse. Leider wird dieser den vorangegangenen Ereignissen nicht ganz gerecht. Es mangelt an Präzision und Klarheit, welche natürlich im Bezug auf die vorher genannten Aspekte schwierig zu definieren sind, jedoch hat der Leser am Schluss das Gefühl, selbst nicht zu wissen, wie die ganze Geschichte nun ausgegangen ist. Möglich, dass dies auch in der Intension der Autorin lag. 
Bisweilen kommt Spannung, die zuvor den Leser fesselnd im Bann gehalten hat, nicht gänzlich über die Gesamtdauer des Romans hinaus. Einige langatmige Stellen sich durchaus vertreten, dennoch nicht zu kritisieren. wenn man gerne einen Blick in die Details wirft. Zum Schluss findet man sich wieder in einer Ebene zwischen Traum und Wirklichkeit wieder, die einen bleibenden Eindruck im Gedächtnis des Lesers hinterlässt.

Fazit

"Traumsplitter" von Tanja Heitmann führt den Leser mit einer faszinierenden Idee rund ums Träumen in eine humorvolle und spannende Geschichte, welche durch Esprit, Witz und Charme überzeugt. Trotz einiger langatmiger Stellen sticht der Roman vor allem durch authentische Charaktere und deren Entwicklung, sowie tolle Verflechtungen innerhalb von Traumwelten und Realität, heraus. Leser, die sich gerne mit der Thematik des Träumens beschäftigen, sowie Fans des Genres Phantastik ist hier deutlich eine Leseempfehlung auszusprechen!

Pro & Contra

+ Einfühlsame, sympathische Charaktere
+ Charakterzüge der Protagonistin entgegen überlicher Klischees!
+ Traumaspekt & dessen Umsetzung
+ Humor & Esprit, sowie Spannung
+ Verflechtung der Traumwelt mit der Realität gut geglückt
+ Wunderschönes, zum Thema passendes Cover

o angenehmer, leichter Sprachstil

- Einige langatmige Stellen
- Am Ende ziemlich wirr

Bewertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5