Rezension

Ein Skandal- ein Wunder- ein Zauber

Giovannis Zimmer - James Baldwin

Giovannis Zimmer
von James Baldwin

Bewertet mit 5 Sternen

James Baldwin hat mit seinem Roman „ Giovannis Zimmer“ 1956 einen Skandal entfacht, schrieb er nicht nur über eine homosexuelle Liebe, nein, er schrieb als Schwarzer eine Liebesgeschichte zweier weißer Männer. Ein doppelter Tabu - Bruch seinerzeit.

Und heute?

 Ich betrachte Baldwins zweiten Roman als ein Wunder. Ein zarter, kalter, herzzerreißender, den Blick frei machender Roman und eine der schönsten Liebesgeschichten überhaupt. Und dabei ist es vollkommen egal, ob es sich um Homosexuelle, Heterosexuelle, Schwarze, Weiße, Männer oder Frauen handelt, denn Baldwin weiß, was Liebe ist und welche Wege sie gehen kann.

Die Geschichte von David und Giovanni, vom Amerikaner und Italiener, die sich in Paris begegnen, in Liebe und in Leidenschaft verfallen, und an der Gesellschaft und ihren eigenen Ängsten scheitern, ist Weltliteratur.

Baldwins glasklare, realistische, dennoch poetische Sprache beschert dem Leser auf jeder Seite Sätze, die er einrahmen und im Herzen bewahren möchte. Zudem lässt er mit dem Paris der 1950 er Jahre eine Stadt vor unseren Augen aufleben, die romantisch, warm und hell erscheint, gleichzeitig aber trist, kalt und zwielichtig.

Ein Amerikaner in Paris- das ist hier nicht der verliebt tanzende Gene Kelly, sondern David, der vor seiner Homosexualität flieht, vor den Konventionen und vor seinem Land, den USA. Giovanni, der einfache Italiener vom Land, flieht vor dem Unglück und findet in David die Liebe seines Lebens. Giovanni kämpft nicht gegen seine Natur und verliert am Ende doch alles.

Dass die Werke von James Baldwin, dass seine Stimme mehr als 60 Jahre nach ihrem ersten Ertönen, heute wichtiger und aktueller denn je sind, sagt alles über unsere Gesellschaft und den Zustand der Welt.

Möge Baldwins Stimme sich auch heute noch erheben und gehört werden!