Rezension

Ein Thriller der Extraklasse

Endgültig - Andreas Pflüger

Endgültig
von Andreas Pflüger

Bewertet mit 4.5 Sternen

~~Bis Jenny Aaron, Mitglied einer internationalen Polizeieinheit, in Barcelona bei einem Einsatz das Augenlicht verliert, war sie eine der härtesten Mitglieder des Teams, intelligent, austrainiert, eine effektive Kämpferin im Nahkampf und an der Waffe. Doch dieser Einsatz verändert alles, sie ließ einen Kollegen, ihren heimlichen Liebhaber, am Ort schwer verwundet zurück, ohne einen Notruf abzusetzen, verfolgte in einem Auto den Täter, es kam zu dem folgenschweren Unfall, der sie das Augenlicht kostete und auch die Erinnerungen an die letzte Stunde des Einsatzes.
Jahre später, sie hat sich genauso zielgerichtet wie je zuvor ins Berufsleben zurück gekämpft, ist sie Verhörspezialistin und Fallanalytikerin. Ihr fehlendes Sehvermögen hat sie längst durch das Training ihrer anderen Sinne ausgeglichen. Da wird sie nach Berlin zurückgerufen, ein Häftling ermordete seine behandelnde Psychologin und ist nur ihr gegenüber zur Aussage bereit. Zurück an alter Wirkungsstätte erkennt sie sofort, dass man ihr eine Falle gestellt hat. Barcelona ist noch nicht abgeschlossen, der Tag der Abrechnung und Vergeltung scheint gekommen.
Dieser Thriller ließ mich auch nicht eine Minute verschnaufen, die Handlung peitscht in kurzen Szenen und Sätzen von einem Höhepunkt zum anderen. Aaron und ihre Kollegen vom alten Team werden in einen Strudel aus Gewalt, Rache und Vergeltung gerissen, das einzelne Menschenleben zählt nicht viel in dieser Auseinandersetzung. Man sollte ja nicht den Fehler begehen, einige Seiten unaufmerksamer zu lesen, in jedem Satz, in jeder beschriebenen Geste ist ein Puzzleteil zur Auflösung versteckt. Daneben nimmt sich der Autor aber Zeit, jede seiner Personen auszuleuchten, zu jedem hat er eine Geschichte, eine menschliche Begegnung zu erzählen. Die Werte, wie Freundschaft, Kameradschaft und Treue werden sehr hochgehalten in dieser Elitetruppe, die bereit ist, einander mit dem eigenen Leben zu schützen. Deshalb scheint Jenny Aarons Verhalten damals so besonders abwegig und das Zusammentreffen mit ihrem ehemaligen Liebhaber und Kollegen, der wider alle Erwartungen überlebte, ist eine schmerzhafte Erfahrung, denn sie spürt tief im Inneren, dass ihre Liebe immer noch da ist.
Der kurze, knappe Stil der Sprache, die schnellen Schnitte haben mich sofort in Bann gezogen, die schmerzlichen Rückblenden, die Jenny Aarons Gedächtnis fluten, ihre Gedankenwelt und ihre innere Zwiesprache zeigen ihre verletzliche Seite.
Aber es gibt etwas, das mir gegen Ende des Buches fast zu viel wurde: der philosophische Überbau, die Rechtfertigung von Gewalt und Mord durch den japanischen Weg des Krieges, des Bushido, die Überhöhung der Tugenden der Samurai. So wird aus einem banalen Rachefeldzug ein Duell  gleichwertiger Kampfmaschinen, die ihrem eigenem Ehrenkodex folgen und den Tod als Erlösung erwarten.
Ich habe in letzter Zeit kaum einen Thriller gelesen, der mich von der ersten Seite an so gefesselt hat. Von der Hauptperson Jenny Aaron, die Härte mit Verletzlichkeit und Einfühlungsvermögen verbindet und Pavlik, ihrem Mentor möchte ich unbedingt mehr erfahren. Ein weiterer Band ist im Nachwort ja schon lose versprochen.
Was über den Inhalt hinaus noch besonders ist, das ist die sorgfältige Ausstattung des Buchs. Das Cover mit der Brailleschrift, der Farbschnitt runden den Gesamteindruck ab.