Rezension

Ein Verwirrspiel in drei Akten

Die Frau mit dem roten Schal - Michel Bussi

Die Frau mit dem roten Schal
von Michel Bussi

Jamal Saloui, der Protagonist in diesem Roman, verbringt einen kurzen Urlaub an der Küste der Normandie. Auch hier läuft er täglich seine morgendliche Joggingrunde, und an diesem Morgen begegnet er einer jungen Frau, die anscheinend ihrem Leben durch den Sprung von den Klippen ein Ende setzen will.

Vorsichtig versucht Jamal, einen Kontakt aufzubauen, ein Gespräch mit ihr zu beginnen, natürlich um am Ende den Sprung in die Tiefe zu verhindern. Der rote Kaschmirschal, der er kurz zuvor über einem Stacheldrahtzaun gefunden hat, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es gelingt Jamal, der Frau diesen Schal zuzuwerden, sie hebt ihn auf und sein Plan, die junge Frau Stück für Stück zu sich heranzuziehen, scheint zu gelingen. Doch in einem kleinen Moment der Ablenkung Jamals gelingt es der Frau, den Schal aus seinen Händen zu ziehen und nach einem letzten Blick doch zu springen, den Schal fest in ihren Händen.

Als die Polizei später die Leiche untersucht, findet man den roten Schal fest um ihren Hals gewickelt und dies ist nur eine der vielen Fragen, auf die Jamal keine Antwort zu geben weiß. Wird er anfänglich nur als Zeuge vernommen, so gerät er aber schnell in den Verdacht, die junge Frau getötet zu haben. Noch in dieser frühen Phase der Ermittlungen werden Jamal Schriftstücke zugespielt, die anscheinend mit zwei ganz ähnlichen Todesfällen in früheren Jahren an dieser Küste zu tun haben. 

Jamal beginnt selbst zu recherchieren und ist am Ende von den vielen verschiedenen losen Fäden sehr verwirrt. Und er weiß nicht mehr, wem er eigentlich trauen kann und wem nicht.
Dem Leser ergeht es ähnlich. Mit seinem Verwirrspiel gelingt es dem Autor schon zu Beginn, eine Spannung aufzubauen, die in sanften Wellen bis zum Ende und dem überraschenden Schluss gehalten wird.

Die Erzählperspektive wechselt zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, und letztere trägt sicherlich zur Spannung deutlich bei. Auch wenn manche Theorie in den Ermittlungen recht gewagt erscheinen mag, auch wenn der ein oder andere Charakter manchmal ein klein wenig überzogen erscheint, so wirkt der Roman doch an keiner Stelle aufgesetzt oder unglaubwürdig.
Als Leser erlebt man eine permanente Berg- und Talfahrt, in einem Moment scheint die Lösung und alle damit verbundenen Geheimnisse offenkundig, doch schon im nächsten Moment führt der Autor einen neuen Gedanken, eine andere Sichtweise ein und schon ist alles wieder offen und ganz anders, als man gerade noch geglaubt hat.
Sprachlich ist das Buch einfach zu lesen, aber nicht anspruchslos oder platt.
Wer Bücher mag, die den Leser gut unterhalten und von allem ein bisschen haben, ein bisschen Liebe und Romantik, ein kleines Geheimnis und die große Spannung eines Krimis, ist mit diesem Roman bestens bedient. Für mich war dieses Buch noch runder als „Das Mädchen mit den blauen Augen“, das mir auch schon sehr gut gefallen hatte.