Rezension

Eine Anklage – Ein Bericht – Eine Tatsache

Im Westen nichts Neues - Erich Maria Remarque

Im Westen nichts Neues
von Erich Maria Remarque

Bewertet mit 5 Sternen

Paul Bäumer ist Soldat und mit seinen Kameraden kämpft er an der Front, um Deutschland gegen den Angriff der Franzosen zu verteidigen. Die Lebensumstände sind eine Zumutung, die Versorgung lausig und täglich verlieren sie Kameraden. Doch der Stimmung tut das keinen Abbruch. Mit Galgenhumor und Pragmatismus versuchen die Männer, die eigentlich noch Kinder sind, zu überleben. Doch wofür?

Ein schonungsloses Buch, dessen heiter, distanzierter Ton über das Grauen des Ersten Weltkrieges nicht hinwegtäuschen kann – und auch gar nicht will. Die Buchstaben wirken zu Beginn wie ein Zaun, der Leser und Protagonisten von der unvorstellbaren Realität trennt – und dieser Zaun wird brüchiger und enthüllt sich immer mehr als Illusion je weiter die Geschichte fortschreitet. Remarque schafft es meisterhaft Ereignisse und Gefühle in Worte und Bilder zu fassen, die sich jedem Ausdruck widersetzen. Besonders eindringlich sind die Dinge, für die keine Worte gefunden werden. Das Grauen des Kriegsalltags ist ein jeder Zeile spürbar und wird doch meisterhaft überspielt.

Sätze, die im Gedächtnis bleiben, Bilder, die man nie wieder vergisst, ein Buch, das von allen gelesen werden sollte!

Die Geschichte hat mich tief erschüttert. Sie gehört zu den härtesten, die ich je gelesen habe und ist mit keiner vergleichbar! Das Grauenhafteste ist, das alles wahr ist. Eine Fiktion ohne Fiktion zu sein – es gibt für den Leser kein Entkommen, keinen Rückzugsort, um die Bilder guten Gewissens abzulegen. Wie diese Männer bzw. Kinder, die aus diesem Krieg zurückkehrten, weiterleben, ja, in einen zweiten derartigen Krieg ziehen konnten, mit derselben Hurra-Haltung, wird mir für immer unverständlich bleiben. Dieses Buch zeigt den Krieg wie er wirklich war und ist: vom Glorienschein und Heldenmut entblößt, nackt in seiner Unmenschlichkeit, Brutalität und Vernichtungskraft, die weit über den Tod hinausgeht.

Ein Buch, das keine Anklage ist und durch die lockere Darstellung des Grauens, die Worte angesichts der Sprachlosigkeit und Unsagbarkeit, durch die ungeweinten Tränen, die jeder Buchstabe verkörpert, doch zu einer Anklage wird. Es wird nicht verurteilt oder verteufelt, es wird nicht gewertet oder gepredigt - es wird berichtet; nüchtern, kalt, distanziert, ironisch, entsetzt und heulend. Es betrifft den Leser. Es hat mich betroffen.