Rezension

Eine Familiengeschichte aus Wuhan

Glänzende Aussicht -

Glänzende Aussicht
von Fang Fang

Bewertet mit 4 Sternen

Die chinesische Schriftstellerin Fang Fang nimmt uns in diesem Roman die Provinz Wuhan mit.

 

Erzählt wird die Geschichte der elfköpfigen Familie, die aus den Eltern, sieben Söhnen und zwei Töchtern besteht, von Bruder Nummer acht, der als Kleinkind verstorben ist und hinter der Hütte begraben ist. Die Familie lebt auf knapp 13 Quadratmeter in der sogenannten Henan-Barackensiedlung. Man muss in Schichten schlafen und für Bruder Sieben, der von allen misshandelt wird, gibt es nur noch Platz unter dem Bett des Vaters. Das Leben ist hart und ohne jede Zuneigung, denn alle Kinder müssen schon in jungen Jahren zum Unterhalt der Familie beitragen. Sie stehlen Kohle oder wühlen im Müll, um Nahrungsreste oder Brauchbares zu finden. Doch in den Augen des alkoholkranken Vaters sind die Bemühungen nie genug.

 

Der Vater ist ein Diktator, der auch drakonische Strafen austeilt, egal ob sich ein Kind einer echten oder eingebildeten Verfehlung schuldig gemacht hat. Meistens trifft es Bruder Sieben.

 

Und ausgerechnet dieser von allem missachtete Bruder Sieben findet einen Ausweg aus dieser Tristesse.

 

Meine Meinung:

 

Dieser 1987 erstmals erschienene Roman der chinesischen Schriftstellerin Fang Fang ist eine Parabel auf das nachkaiserliche China. Es spiegelt in der einfachen Arbeiterfamilie aus Wuhan die Verhältnisse des Landes wieder. Die ehemals bäuerliche Familie lebt mit ihren neun überlebenden Kindern in Armut in Wuhan. Noch ist Kinderreichtum erlaubt, bevor die Machthaber mit ihrer rigiden Ein-Kind-Strategie das Bevölkerungswachstum einschränken wollen.

 

Dass dieser Roman heute in China lieber unterdrückt als gelesen wird, ist klar, wenn man die Parallelen des Mikrokosmos Familie zum Staat zieht.

 

Fang Fang ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Chinas. Sie wurde 1955 geboren und lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Wuhan. In den letzten 35 Jahren hat sie eine Vielzahl von Romanen, Novellen, Kurzgeschichten und Essays veröffentlicht. Stets spielen die Armen und Entrechteten in ihren Werken eine große Rolle. Sie erhielt eine Vielzahl von Auszeichnungen in China, hat sich aber mit ihren „Wuhan Diary“, in dem sie über die Abriegelung der ganzen Region in der Covid-19-Pandemie schreibt, keine Freunde gemacht.

 

Fazit:

 

Dieser Erzählung rund um die Allmacht eines Vaters innerhalb seiner Familie, die wie eine Parabel auf die chinesische Politik erscheint, gebe ich gerne 4 Sterne.