Rezension

Eine Frau erinnert sich - einfühlsam erzählt

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe -

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
von Doris Knecht

"Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" von Doris Knecht ist ein kurzweiliger, episodenartiger und fesselnder Roman über eine alleinstehende Mutter, Schwester und Tochter, die sich an einem Wendepunkt in ihrem Leben befindet.
Bewusst hervorgehoben sind im vorigen Satz ihre Rolle als alleinstehende und -erziehende Mutter, Schwester und Tochter, da die Ich-Erzählerin in ihrem Prozess der Selbstreflexion und der inneren Selbstbetrachtung sich mit Ereignissen und Erinnerungen aus ihrer Kindheit, ihrer Studienzeit und aus ihrer Zeit als Mutter von Zwillingen, konfrontiert wird.

Ein leiser Grundton zeichnet die Erzählung aus, die als Startpunkt des Erinnerns die Lebensveränderung der Ich-Erzählerin nimmt, die durch den Auszug ihrer Kinder aus dem gemeinsamen Haus, beginnt. Sie kann sich das gemeinsame Heim nicht mehr leisten und sucht sich eine neue Wohnung. Entlang des Auszugs aus dem alten Heim und dem Einzug in die neue Wohnung werden die Leser und Leserinnen Teil ihres unstetigen und teils vignettenartigen Erinnerungsstroms. Dadurch lernt man die Ich-Erzählerin als Person näher kennen, lernt welche Ereignisse sie in ihrer Kindheit und bis ins Jetzt geprägt haben und welches Verhältnis sie zu ihren Eltern und Schwestern hat. Man gewinnt hierbei dank des ausdrucksstarken Schreibstils einen vielschichtigen Eindruck von ihr und ihren Gedanken, Gefühlen und Sichtweisen. Nebenbei bekommt man auch von den anderen Charakteren einen guten Eindruck.

Jedoch fehlte es mir manchmal etwas an emotionaler Tiefe der Erinnerungen. Man erfährt zwar viel von der Ich-Erzählerin, darunter auch ein dramatisches Ereignis in ihrer Zeit als Studentin. Beim Lesen der Lektüre hatte ich jedoch zeitweise das Gefühl, dass nur an der Oberfläche gekratzt wurde und die Ich-Erzählerin mit ihren Gedanken und Gefühlen nicht so richtig greifbar wurde.
Trotz dieser leichten emotionalen Distanziertheit, entwickelte der stimmungsvoll geschriebene Roman von Beginn an eine gewisse Sogwirkung und konnte mich dank seiner Reflexion über den Erinnerungsprozess an sich, erzählt am Beispiel einer Frau, von sich überzeugen.