Rezension

Zurückschauen - um nach vorne zu blicken

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe -

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
von Doris Knecht

Bewertet mit 4 Sternen

Eigentlich mag die alleinerziehende Protagonistin, die neben ihren braven Schwestern ein eher unsichtbares Leben führt, keine Veränderungen. Doch die Kinder sind nun erwachsen und Frau steht nun an einem Wendepunkt. Sie stellt Fragen über ihr bisheriges Leben, beginnt dieses auszumisten; sie will herausfinden, was sie aus ihrem alten Leben behalten will, aber auch, wer sie in Wahrheit eigentlich ist.
Das Cover zeigt eine alte Blechdose mit der Abbildung eines Dackels, in der Blätter einer längst vertrockneten Pflanze stecken. Der einzige Zweck dieses Behältnisses scheint es zu sein, einen Schatten auf den Hintergrund zu werfen. Genau diese Schatten, diese Vergangenheit, will die Ich-Erzählerin nun hinter sich lassen und ein neues, befreites Leben beginnen. Sie stellt die im Titel erwähnte Liste auf, um einen Überblick zu erhalten. In kurzen Kapiteln erfährt der Leser auf diese Weise die wichtigsten Etappen aus dem Leben der Protagonistin, immer erzählt in bezeichnenden Anekdoten. Mit entwaffnender Ehrlichkeit gibt sie Details aus ihrem Familien- und Berufsleben preis. Sie schmeichelt sich nicht ein, will vielleicht gar nicht gefallen, sondern legt bis zum Ende die Karten auf den Tisch.
Der Schreibstil bleibt dabei sehr nüchtern, direkt, aber durchaus – und durchgehend - einnehmend. Immer wieder erkennt man beim Lesen Parallelen aus dem eigenen Leben, kann das Erlebte nachvollziehen; andere Stellen lassen einen verwundert zurück. Die Erzählerin selbst ist sich über ihre eigenen Erinnerungen oft selbst nicht im Klaren – was entspricht der Wirklichkeit, was ist nur in verfälschter Form in ihrem Gedächtnis geblieben? Sie reflektiert, sie lamentiert, und hinterlässt die Frage, ob sie mit ihrem „neuen Leben“ tatsächlich zufrieden sein wird.