Rezension

Eine Geschichte in einer Geschichte der Geschichte

Der dunkle Turm 8: Wind - Stephen King

Der dunkle Turm 8: Wind
von Stephen King

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ich habe Kings Zyklus Der dunkle Turm gelesen. Manche mehrfach. Das kommt daher, da zwischen dem Erscheinen von Glas und Wolfsmond eine ganze Zeit lag und so habe ich die ersten vier Teile noch einmal gelesen, bevor ich mir den letzten drei begann. Dementsprechend sieht meine Reihe optisch auch nicht einheitlich aus. Die Reihenfolge der bisher sieben erschienen Teile lautet wie folgt:

  1. Schwarz
  2. Drei
  3. Tot
  4. Glas
  5. Wolfsmond
  6. Susannah
  7. Der Turm

Ich habe des Öferten gelesen, dass King diesen Zyklus als besonders monumental empfindet. Ich persönlich finde ihn grandios. Auch wenn ich mindestens drei Anläufe brauchte um den eigentlich recht dünnen Band Schwarz zu lesen, hat die Serie mich danach nicht mehr losgelessen. War Schwarz noch geschrieben wie ein innerer Monolog in dem der Revolvermann Roland Deschain durch die Wüste wandert – womit ich als Jungspund noch nichts anfangen konnte – wurde die Geschichte ab Drei, in dem Roland sein Ka-tet zusammenstellt, wirklich interessant. Viele kleine Elemente sind bei mir auf Ewigkeit ins Gedächtnis gebrannt: Die Formulierung “einen Affen auf den Schultern/dem Rücken haben” für süchtig sein, die Rätsel die der Zug dem Ka-Tet stellt oder wenn bei einer Blutvergiftung eine rote Linie auf das Herz zuwandert man möglichst schnell Antibiotika zu sich nehmen sollte. Vor allem aber die Welt hat mich fasziniert. Im Prinzip ist sie der unseren nicht unähnlich und die beiden liegen auch nicht weit auseinander, wie die Tatsache zeigte, dass er sein Ka-tet aus unserer Welt herüberholte. Doch die verschiedenen Wesen und die Konstruktion mit den Balken finde ich überaus faszienierend. Im Prinzip war Der dunkle Turm die erste Fantasy, die ich je gelesen habe. Doch das wirklich aller beste an dem Zyklus in Bezug zu Kings Gesamtwerk ist, dass in vielen Bücher Anspielungen auf Der dunkle Turm fallen. So malt ein Kind in einem Buch Roland vor dem dunklen Turm stehend, in ES taucht die Balkenkonstruktion auch auf, ebenso wie die Schildkröte. Nicht dass solche Elemente ein Hauptteil der anderen Bücher ausmacht, doch diese kleinen zum Teil subtilen Andeutungen und Anspielungen finde ich grandios. So weiß der Leser aus Insomnia/Schlaflos z. B. wer in den unteren Etagen des dunklen Turms haust: Zufall und Schicksal die je nach Berufung die Lebensfäden der Menschen durchtrennen.

So und nun bringt King einen neunen Band heraus, obwohl die Geschichte um den dunkeln Turm bereits erzählt ist – mit einem zumindest für mich unbefriedigenden Ende. Dennoch oder gerade deswegen musste ich Wind unbedingt lesen und habe mich riesig gefreut Roland und sein Ka-Tet wieder zu treffen. Ich hatte leider nicht die Zeit alle Bücher dafür noch einmal zu lesen – wenn ich es hätte machen wollen, so lautet Kings Empfehlung im Vorwort dies nach Glas zu tun, da die Geschichte in Wind zwischen Glas und Wolfsmond anzusiedeln ist. Wind ist daher nicht Band 8 des Zyklus, sonder 4.5.

Meine Meinung: Roland und sein Ka-Tet wiederzusehen war wirklich schön. Doch leider wurde dieser Lese-Revival-Moment durch die Konstruktion des Buches estwas überschattet. Dass Roland eine Geschichte aus seiner Vergangenheit erzählt und der Leser diese, statt der aktuellen Turm-Suche erlebt, ist nichts Neues für den Leser des Zyklus Der dunkle Turm. In Glas geschieht etwas ganz Ähnliches und damit fällt das Buch zwar aus dem Rahmen, doch es ist mein Lieblingsteil des Zyklus, weil er durch die Rückblende einen ganz eigenen Charme und eine ausgesproche schöne Atmosphäre besitzt. In Wind geschieht dies nun ähnlich: Die Ereignisse aus Glas liegen noch nicht lange zurück. Der junge Roland hat seine Mutter verloren, die durch seine Hand starb und wird nun von seinem Vater auf eine Revolvermann-Mission geschickt, da er selbst keine Zeit dafür findet. Roland reist also mit nur einem Gefährten aus seinem Ka-Tet in die ferne Stadt um dort einen Gestaltwandler zu erlegen. Dies war schon der erste Punkt, der mich etwas enttäuscht hat: Roland zieht nicht mit allen Gefährten los, sondern nur mit Jamie Curry, dabei war  das Zusammenspiel der vier Jungen in Glas, einer der Punkte, der die Atmosphäre so schön gemacht hat. Schade, aber es kommt noch abstruser. So kommt es an einer Stelle im Buch dazu, dass der junge Roland aus des alten Rolands Geschichte einem Jungen eine Geschichte erzählt. Diese Geschichte – Der Wind durchs Schlüsselloch – wird ebenfalls ausführlich erzählt, so wie Rolands Mutter sie ihm stets vorgelesen hat. Diese Geschichte ist nicht nur der Namensgeber für das englische Original, sondern macht auch den Großteil des Buches aus. Nach dieser Geschichte erzählt der alte Roland die Rahmenhandlung zu Ende und auch die Geschichte in der Gegenwart findet ihren Abschluss. Nur auf diese Weise ist das Buch leider nichts Halbes und nichts Ganzes. Der Wind durchs Schlüsselloch ist eine Art Märchen, das auch gut in die Welt um den dunklen Turm passt und sich gut lesen lässt, doch irgendwie hat sich mir der Sinn nicht ganz erschlossen, warum Roland diese Geschichte erzählen muss. Sie ist zwar schön, doch nicht spannend oder spektakulär. Da sie jedoch den großen Teil des Buches ausmacht, gilt dies leider auch für das ganze Buch. Denn die Rahmenhandlung in der Gegenwart beschränkt ist auf das Mindeste und durch die lange Geschichte mittendrin ist auch Rolands Erzählung aus der Vergangenheit nicht wirklich spannend, obwohl sie es hätte sein können. Schade.
Was mir jedoch gut gefallen hat, war die durch den Sturm entstandene Atmosphäre. Mir war auch bei Der Wind durchs Schlüsselloch stets vor Augen, wie Roland dem Jungen in der Gefängnisszelle bei einem rauschenden Sturm die Geschichte erzählt, die auch mit einem Sturm endet. Da auch die Rahmenhandlung während eines Sturms spielt kann ich nur raten, dieses Buch auch bei einem schönen Sturm zu lesen – natürlich schön gemütlich in der liebsten Leseecke und nicht im Gefängnis. So jedenfalls habe ich es gehalten und es war atmosphärisch nur genial.

Fazit: Wind für sich genommen ist durch die Verschachtelung von drei Geschichten etwas eigenartig zu lesen. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass es innerhalb der Lektüre des gesamten Zyklus Der dunkle Turm durchaus wirken kann, vor allem, da die Vergangenheitshandlung in Wind an die in Glas anschließt. Auch wenn King in seinem Vorwort einige Dinge erklärt, damit auch Leser, die den Zyklus noch nicht gelesen haben, in den Genuss von Wind kommen können und er explizit sagt, man könne das Buch auch für sich genommen lesen – ich rate davon ab. Ich kann mir vorstellen, dass wenn man Rolands Mittwelt noch gar nicht kennt, die Geschichte Der Wind durchs Schlüsselloch einfach zu abstrus ist. Mir hat das Lesen auf jeden Fall Freude bereitet, aber eingenartig war es irgendwie schon…