Rezension

Eine Geschichte über zweite Chancen und das Streben nach Glück rund um die Frage "was wäre, wenn?"

Wie Papierschiffchen im Fluss -

Wie Papierschiffchen im Fluss
von Julia Stumpp

Bewertet mit 4 Sternen

Janna ist verheiratet, hat zwei Kinder, lebt in einer Stadtvilla in Braunschweig und hat sich zusammen mit ihrem Ehemann Simon erfolgreich ein Architekturbüro mit mehreren Mitarbeitern aufgebaut. Für ein neues Projekt engagiert Simon ohne Absprache den Lichtkünstler Maris, nichtsahnend dass es sich bei ihm um Jannas erste große Liebe handelt. Janna ist wütend auf Simon und durcheinander, denn sie spürt, dass sie immer noch etwas für Maris empfindet. Zudem möchte sie endlich wissen, warum er ihre Beziehung vor 15 Jahren unerwartet per SMS beendet hatte. Janna, die sich von Simon nicht mehr wahrgenommen fühlt und mit ihrer Ehe schon länger unzufrieden ist, kann sich nicht gegen ihre Gefühle für Maris wehren und stellt sich unweigerlich die Frage, wie ein Leben mit Maris ausgesehen hätte und aussehen könnte.

Janna führt augenscheinlich ein perfektes Leben, ist aber dennoch nicht glücklich. Von ihrem Ehemann entfremdet, denkt sie über eine Paartherapie nach, aber im Alltag mit Kindern und der Selbstständigkeit als Architekten, geht der Wunsch unter. Als ihre große Liebe Maris nach all den Jahren wieder in ihr Leben tritt, entwickelt sich eine Dynamik, mit der sie innerlich kaum mithalten kann. Selbst von ihrer Mutter verlassen worden, möchte sie ihre Kinder nicht enttäuschen und eine Familie zerstören, gleichzeitig möchte sie aber auch mit Maris zusammen sein.

Die innere Zerrissenheit Jannas ist eindrücklich dargestellt. Es fällt leicht, sich in ihre Lebenssituation hineinzuversetzen und ihre widerstreitenden Gefühle nachzuvollziehen.
Die Geschichte handelt in der Gegenwart wenige Wochen im Sommer und ergänzt die Handlung durch kurze Rückblenden in die Vergangenheit mit Janna als Studentin, mit der Beziehung zu Maris und den Anfängen mit Simon.

Die Geschichte ist lebensnah und schildert ein Dilemma, das sicher nicht neu ist, dessen Auflösung aber dennoch spannend ist, denn zu keinem Zeitpunkt ist abzusehen, wie sich Janna entscheiden wird. Ihr Verhalten bis dahin ist egoistisch, sicher nicht integer und macht sie deshalb nicht sympathisch. Aber auch Simon hat seine Fehler, wenn diese auch weniger auf emotionaler Ebene sind. Beide Charaktere wirken aus diesen Gründen sehr authentisch. Maris empfand ich im Vergleich dazu etwas eindimensional.

"Wie Papierschiffchen im Fluss" handelt vom Scheitern und vom Wiederentdecken der Liebe, aber auch vom Zirkus aus anstrengendem Familienalltag, beruflichem Erfolgsdruck und Verantwortung. Es ist eine Geschichte über zweite Chancen und das Streben nach Glück, bei der man sich unweigerlich selbst die Frage nach Parallelwelten und dem "Was wäre wenn?" stellt.