Rezension

Eine Sinnsuche zwischen Religion und Wissenschaft

Ein erhabenes Königreich -

Ein erhabenes Königreich
von Yaa Gyasi

Bewertet mit 3 Sternen

Die Protagonistin des Romans, Gifty, wächst in Alabama auf. Ihre Eltern sind aus Ghana in die USA ausgewandert. Hart arbeitend bauen sie für sich und die beiden Kinder ein neues Leben auf. Doch die Sehnsucht des Vaters nach der alten Heimat ist so groß, dass er die Familie verlässt. Ein Schicksalsschlag, auf den bald schon ein weiterer folgen soll: Die Drogenabhängigkeit des Bruders Nana. Als dieser schließlich stirbt, wird die Mutter von schweren Depressionen geplagt. 

Der christliche Glaube und die Bibel sind im Leben der Familie und damit in Giftys Kindheit sehr präsent. Doch nachdem Gifty merkt, wie die Gemeinde mit dem Tod ihres Bruders umgeht und wie auch der Pastor die Bibel einfach so auslegt, wie er es für richtig hält, wendet sie sich der Wissenschaft zu und verlagert in sie all die Fragen, die sie an das Leben hat. Dass die Suche nach einem Sinn und nach Antworten jedoch auch in der Wissenschaft bis zu einem gewissen Grad fruchtlos bleiben muss, ist eine der Lektionen, die Gifty im Laufe des Romans lernt. 

Es ist diese Sinnsuche und die Suche nach Erklärungen für das, was dem Bruder widerfahren ist, die im Mittelpunkt des Romans steht. Obwohl Gifty als Neurowissenschaftlerin in Stanford arbeitet, kann sie den Glauben ihrer Kindheit und den Rückhalt, den er verspricht, nie ganz ablegen. Er bleibt ein Teil von ihr, auch wenn er mit der Zeit weniger an eine bestimmte Institution gebunden ist.

Der Roman hat einige Stärken. Dazu zählt besonders die Darstellung des Fremdseins und des Rassismus. Eine Szene prägt sich in diesem Zusammenhang besonders ein, nämlich das Gespräch einiger Kirchenmitglieder über die Drogenabhängigkeit des Bruders: “Es ist traurig, aber - und ich sage das wirklich nicht gern - diese Leute scheinen eine Vorliebe für Drogen zu haben. Ich meine, sie sind immer auf Drogen. Deshalb gibt es so viele Verbrechen.” Auch das Thema der Identität gehört zu den Aspekten, die den Roman positiv auszeichnen. Gifty fühlt sich beispielsweise nicht ghanaisch und weiß nicht, wie sie ihr Empfinden der Mutter vermitteln soll: “Ich fühlte mich so ghanaisch wie Apfelkuchen, aber wie sollte ich das meiner Mutter erklären?”

Trotz dieser Stärken ist es dem Roman leider nicht gelungen, mich zu überzeugen. Denn er wirkt oft zu plakativ und die Religion nimmt einen zu großen Platz in ihm ein. Er bleibt zu sehr an der Oberfläche von dem, was er eigentlich vermitteln will. 

Als Protagonistin hat mich Gifty außerdem nicht emotional berührt. Zwar ist das Schicksal ihrer Mutter hart und die Geschichte ihres Bruders sicherlich dramatisch, aber Gifty selbst tritt nie als wirklich tiefgründige und vielschichtige Figur in Erscheinung. 

“Ein erhabenes Königreich” ist leider kein herausragender Roman und nicht besonders kraftvoll in dem, was er zu erzählen versucht. Er verliert sich in der Debatte um Religion und Wissenschaft und findet weder seinen Kern, noch sein Ende.