Rezension

Eine starke Frau im Kampf um ein freies, selbstbestimmtes Leben

Der süße Duft der Reben -

Der süße Duft der Reben
von Tara Haigh

London 1903 die junge, gebürtige Spanierin Isabel möchte unbedingt an der Londoner Kunstakademie studieren. Während bei heutigen Studenten eine Absage der Universität diesen Traum platzen lässt, ist es bei Isabel ihr eigener Vater. Dieser hat mit dem Import von Rosinen ein Vermögen aufgebaut und nun soll Isabel Rafael heiraten, der Sohn eines Rosinenbarons und ihr Alptraum aus der Kindheit. Isabel hat keine Wahl und muss sich den Wünschen ihres Vaters unterordnen und besteigt missmutig ein Schiff, dass sie in ihre alte Heimat Dénia bringen soll und zu einer ungewollten Ehe. Doch Isabel kann das nicht so einfach hinnehmen, schließlich will sie ein freies, selbstbestimmtes Leben führen. Sie packt all ihren Mut zusammen und verlässt das Schiff vor der eigentlichen Ankunft, in der Hoffnung auf ein Leben in Freiheit. Als sie in Dénia ankommt, bringt ihr die Stadt ihrer Kindheit, nach der sie sich in den Jahren im regnerischen, tristen England gesehnt hat, bringt ihr nicht nur Glück und Hoffnung entgegen, sodass sie ausgerechnet Rafael begegnet, der sie mit aller Kraft in einen goldenen Käfig stecken möchte. Doch Isabel wäre nicht sie selbst, wenn sie gegen dieses ungeliebte Leben kämpfen würde. Dabei begegnet sie Fernando, ihrer Jugendliebe, wieder, doch kann dieser ihr helfen bei der Flucht aus einem fremdbestimmten Leben? Hinzu kommt, dass Isabel noch jemandem aus ihrer Vergangenheit begegnet, wodurch sie einem langgehüteten Familiengeheimnis auf die Spur kommt.

„Der süße Duft der Reben“ ist nicht der erste historische Roman von Tara Haigh, vielmehr handelt sich hierbei um einen weiteren Roman aus einer Reihe von erstklassigen Büchern, die zwar an unterschiedlichen Orten spielen, aber eines gemeinsam haben, nämlich dass es hervorragende Bücher sind, die einen nicht mehr loslassen. Ich habe schon mehrere Bücher der Autorin gelesen und jedes Mal bin ich überrascht, wie sie es schafft die Geschichte zum Leben zu erwecken. Durch ihren fesselnden, detailgetreuen Schreibstil der Autorin kann man als Leser voll und ganz in die Geschichte abtauchen, als wäre man ein Teil davon. Auch fällt es schwer vor lauter Spannung das Buch zur Seite zu legen, denn ich war so tief in der Geschichte gefangen, dass ich nicht zurück in die Realität wollte und natürlich wollte ich auch unbedingt wissen wie es weitergeht.

Mit Isabel ist es der Autorin gelungen einen außergewöhnlichen Charakter zu porträtieren, den man von Beginn an in sein Herz schließen muss. Wie bereits aus vorherigen Büchern gewöhnt handelt es sich bei Isabel um eine charakterstarke Frau, die trotz aller Umstände an ihrem Willen festhält, sodass einem als Leser nichts anderes übrigbleibt als sie in sein Herz zu schließen. Isabel ist mutig und stark und damit ihrer Zeit weit voraus. Trotz mehrerer Schicksalsschläge und Hindernisse gibt sie nicht auf, was mich besonders beeindruckt hat. Tara Haigh hat es geschafft Isabel zum Leben zu erwecken und mir kommt es fast so vor als hätte es sie wirklich gegeben.

Aber nicht nur Isabel wurde von der Autorin mit Liebe zum Detail gestaltet, sondern auch viele Nebencharaktere, sodass jeder einzelne lebendig erscheint. Ich habe viele in mein Herz geschlossen, andere verachtet und andere haben mich wiederum überrascht. Die Gedanken und Handlungen erstaunen oder gar überrumpeln den Leser zwar an mancher Stelle, sind aber am Ende voll und ganz nachvollziehbar und fügen sich perfekt in die Handlung ein.

Die gedankenreichen Charaktere gepaart mit der vielschichtigen, tiefgründigen Handlung sind ein absolutes Highlight. Manch einer könnte denken es geht nur um eine Liebesgeschichte, eine Frau möchte nicht den Mann heiraten, den ihr Vater ausgesucht hat und begegnet ihrer Jugendliebe wieder, aber so simpel ist es nicht. Hinter dem wunderschönen Buchcover verbirgt sich eine ernsthafte Thematik, die an mehreren Stellen zum Nachdenken anregt. Der Handlungsverlauf ist dabei stets spannend und voller Emotionen, von der ersten Seite bis zum letzten Wort. Die Gefühle haben mich derart mitgerissen, dass ich mit den Charakteren mitgelitten habe, aber mich auch mit ihnen freuen durfte, an anderer Stelle musste ich aber auch den Atem anhalten und mit ihnen bangen, eine herausragende Mischung meiner Meinung nach, die ein gutes Buch ausmacht.

Einen schönen Nebeneffekt bringt der Handlungsort Dénia, der nur zum Träumen einläd. Die Autorin beschreibt die Gegend ausführlich, dass ich mir den Ort vor meinem inneren Auge vorstellen konnte. Natürlich habe ich sofort Lust nach Spanien zu fliegen, so geht es mir persönlich immer nach einem Buch der Autorin, unabhängig ob als Tara Haigh oder Tessa Hennig. Tatsächlich habe ich nach dem Lesen Dénia gegoogelt und die Bilder waren sehr ähnlich zu denen in meiner Vorstellung, sodass man die Detailgetreue der Autorin wiederfindet.

Fazit:

Ich kann das Buch nur jedem empfehlen, der Lust hat sich voll und ganz auf eine literarische Reise zu begegnen, voller emotionaler Höhen und Tiefen. Der Tiefgang der Handlung und die Wandelbarkeit der Charaktere machen das Buch zu einem Highlight, sodass man einmal angefangen sich dem Buch nicht mehr entziehen kann. Tara Haigh weckt einen Teil Geschichte zum Leben, der vielen Lesern bis dahin unbekannt sein wird, aber dennoch interessant sein wird und den man ohne sie wahrscheinlich nie kennengelernt hätte. Dadurch das detailliert recherchierte historische Fakten in eine spannende Handlung verflochten wurden, wird der historische Kontext besonders aufregend. Vielen Dank an Tara Haigh für einen weiteren Roman, der mir tolle Lesestunden geschenkt hat und der mich auch noch Tage nach dem Beenden des Buches emotional nicht mehr loslässt und weiter in meinen Gedanken präsent ist.