Rezension

eine Wanderung und ihre Folgen

Ein Sommer mit Esel -

Ein Sommer mit Esel
von Sabrina Nau

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ihr Esel versteht sich nicht auf Erste Hilfe, und telefonieren kann er auch nicht. Beim Wandern ist es sicherer, wenn man wenigstens zu zweit ist, wenn etwas passiert...“

 

Der Ratschlag klingt ja noch fast wohlwollend, andere Bemerkungen der Gäste in der Herberge in einem kleinen französischen Ort sind es nicht. Sie echauffieren sich darüber, dass Natalie allein mit einem Esel den Stevenson-Weg gehen will. Sie aber lässt sich nicht beirren.

Die Autorin hat eine abwechslungsreichen Roman geschrieben. Sie verknüpft gekonnt die Lebensgeschichten ihrer Protagonisten mit der Wanderung.

Der Schriftstil ist sehr gut ausgearbeitet. Dadurch kann ich einerseits gedanklich den Weg mitgehen, andererseits verstehe ich die Intentionen der Protagonisten.

Begonnen hat alles damit, dass Pierrette ihre 7jährige Enkeltochter zu einer Wanderung mit Esel eingeladen hat, obwohl sich die beiden kaum kennen. Außerdem ist Natalie, Leonies Mutter, skeptisch, ob sie sich auf ihre Schwiegermutter verlassen kann. Ihr vor zwei Jahren verstorbener Mann Pascal hat ihr so einiges aus seiner Kindheit erzählt. Pierrette aber wird energisch.

 

„...Wer sich Sorgen macht, gibt seinen Sorgen Macht. Daran solltest du mal arbeiten...“

 

Außerdem lehnt sie es ab, Natalie mitzunehmen. Deshalb beschließt Natalie, einen Tag später hinterher zu wandern.

Die Verleiherin gibt Natalie die folgende Charakteristik eines Esels mit auf den Weg.

 

„...Sie lassen sich zu nichts zwingen. Sie übereilen nichts. Erst denken, dann handeln, das ist ihr Motto. Sie wissen, was gut für sie ist...“

 

Die Personen werden gut charakterisiert. Natalie hat sich nach dem Tod ihres Mannes zur überbesorgten Mutter entwickelt. Pierrette dagegen geht die Wanderung wie eine Geschäftsplanung an. Leonie soll funktionieren wie ihre Mitarbeiter. Sie ahnt noch nicht, dass Leonie genauso stur ein kann wie sie.

Sehr detailliert und mit vielen Sprachbildern wird die Wanderung geschildert.

 

„...Die erste Etappe im Flusstal war lieblich-mediterran, die Landschaft ein sattes Grün, der sich schlängelnde Fluss jetzt im Sommer nicht reißend, sondern kristallklar, voller heller Kiesel...“

 

Ich folge abwechselnd den Spuren von Natalie und Pierrette. Bei beiden erlebe ich, wie die Zeit sie verändert. Gleichzeitig erfahre ich, was in der Vergangenheit geschehen ist und dass das Verhältnis zwischen beiden von Anfang an kompliziert war. Natalie trifft Gerome und der erklärt ihr:

 

„...Es verändert einen, wenn du mit einem Esel wanderst. Also, wenn du dich darauf einlässt. Du merkst, dass du tief in dir drin auch eine Art inneren Esel hast. Einen Instinkt. Es ist heilsam, auf ihn zu hören...“

 

Die Geschichte enthält berührende Szenen, aber auch ziemlich amüsante. Vor allem, wenn sich Leonie ihrer Großmutter widersetzt, die übrigens weder Großmutter noch Oma genannt werden will, musste ich häufig schmunzeln. Natürlich gibt es auf solch einer Wanderung auch unangenehme Überraschungen, die ein Umplanen verlangen.

Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen.