Rezension

Emotionaler Familienroman!

Sommerleuchten am See -

Sommerleuchten am See
von Sarah Morgan

Bewertet mit 5 Sternen

Sarah Morgan ist eine grandiose Erzählerin! Zwar überzeugt sie mich auch stets mit ihren romantischen Geschichten, aber es sind vor allem ihre Familienromane, die mich immer wieder aufs Neue begeistern. Trotz ähnlicher Elemente - mehrere Generationen, verschiedene Erzählperspektiven, die Aufarbeitung eines Geheimnisses oder eines Konflikts sowie ein malerisches Setting - ist jedes ihrer Werke einzigartig und zeichnet sich durch facettenreiche, aus dem Leben gegriffene Figuren, authentische Emotionen und einen meisterhaften Schreibstil aus. Die farbenfrohe Covergestaltung fügt sich harmonisch in den Stil der bisherigen Romane der Autorin ein.

Die sympathische Floristin Flora hatte es nicht leicht im Leben. Ihre Mutter verstarb früh und die Tante, bei der sie anschließend aufwuchs, zog sie ohne Liebe groß. Von klein auf hatte Flora das Gefühl, ein Klotz am Bein anderer Menschen zu sein. Umso mehr bemühte sie sich um ein fröhliches, optimistisches Wesen, wollte gefallen, tat alles, um gemocht zu werden. Diese Angewohnheit hat sie auch als Erwachsene nie ganz abgelegt; noch immer lässt sie sich von ihrer Chefin ausnutzen und geht Konflikten aus dem Weg. Ist es denn falsch, sich nach Harmonie zu sehnen? Tatsächlich ist Flora trotz zahlreicher Aktivitäten und ihrer besten Freundin ein sehr einsamer Mensch. All ihre Beziehungen sind bisher daran gescheitert, dass sie sich zu sehr verbogen hat, um den Ansprüchen ihres jeweiligen Partners zu genügen. Inzwischen hat sie beinahe vergessen, wie es sich anfühlt, einfach nur sie selbst zu sein. Doch dann trifft sie auf Jack und erlebt mit ihm eine Vertrautheit, die sie sich schon immer gewünscht hat.
Jack, verwitwet, charmant und auf rührende Weise überfordert mit seinen beiden Töchtern, scheint Flora wirklich zu sehen. Nicht nur ihre bunten Kleider oder ihr strahlendes Lächeln, sondern die warmherzige, aufopferungsvolle Frau, die alles tut, um andere Menschen glücklich zu machen. Jacks Töchter, Teenager Izzy und die kleine Molly, sind nicht gerade begeistert von Daddys neuer Freundin. Vor allem Izzy setzt alles daran, Flora ein klares Zeichen zu senden, das da lautet: In dieser Familie ist kein Platz für dich. Und Jacks verstorbene Frau, Becca, ist selbst jetzt noch scharfe Konkurrenz für Flora – sie war der strahlende Mittelpunkt jeder Party, ein bewunderter Celebrity, ambitioniert, sportlich, wohltätig engagiert, kurzum: in allem die Erste, Beste, Schönste. Dagegen kommt Flora sich wie ein tollpatschiger Elefant vor; ihre Talente beschränken sich schließlich auf Zeichnen, Backen und Blumenarrangements. Jack hingegen ist zum ersten Mal seit langer Zeit wieder glücklich und besteht darauf, dass Flora ihn und seine Töchter in den traditionellen Jahresurlaub nach England begleitet. Diese liebe Geste wirft eine Reihe von Problemen auf: 1. Izzy spuckt Gift und Galle; 2. der Urlaub findet auf dem Grundstück von Beccas bester Freundin (Clare) statt, 3. das Feriendomizil liegt an einem See – und seit einem traumatischen Erlebnis kann Flora sich keinem Gewässer nähern. Ist sie also wahnsinnig mutig oder einfach nur verrückt, sich darauf einzulassen?

Binnen weniger Seiten hatte ich bereits das Gefühl, die einzelnen Charaktere gut zu kennen und im Hinblick auf ihr Verhalten realistisch einschätzen zu können. Hierin liegt die große Stärke der Autorin; man taucht wie selbstverständlich in die Gedankengänge ihrer Figuren ein und fühlt von Anfang an mit ihnen mit. Erzählt wird aus der Sicht von Flora, Clare und Izzy. Während die gutmütige, geduldige Flora meine klare Favoritin war, trieb Izzys – wenn auch nachvollziehbares – störrisches Verhalten mich regelmäßig in den Wahnsinn. Das Mädchen hat die Rolle ihrer verstorbenen Mutter übernommen und sieht sich als alleinige Managerin des Haushalts, wobei dies im Grunde nur ihre Art der Trauerbewältigung ist. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass Jacks verstorbene Frau keine Pluspunkte bei mir gesammelt hat; sie schien eine ausgesprochen egoistische, rücksichtslose und verunsicherte Person gewesen zu sein und verdient nicht, im Nachhinein von ihrer Familie auf einen Sockel gestellt zu werden. Es wäre schön gewesen, wenn die Autorin Becca zumindest ein klein wenig liebenswertere Charakterzüge zugeschrieben hätte, damit die Rollenverteilung ('gut vs. böse') nicht ganz so offensichtlich gewesen wäre.

Die Themen dieses tiefgründigen Romans reichen von Verlust, Vergebung und Neuanfängen über Familienzugehörigkeit und Selbstfindung bis hin zur Frage, was wahre Freundschaft wirklich ausmacht. Der Schwerpunkt liegt nicht auf einer potentiellen Liebesbeziehung, sondern auf zwischenmenschlichen Beziehungen im Allgemeinen.

Gerne spreche ich eine klare Leseempfehlung für alle Liebhaber von emotional anspruchsvollen, dramatischen, berührenden (Familien-)Geschichten mit glaubwürdigen Charakteren aus.