Rezension

Enttäuschend

Das späte Leben -

Das späte Leben
von Bernhard Schlink

Bewertet mit 3 Sternen

Auf den Autor Bernhard Schlink bin ich durch die Verfilmung seines Romans "Der Vorleser" aufmerksam geworden. Dieser Roman, den ich nicht gelesen habe, war ein Welterfolg und da mir die oskarprämierte Verfilmung sehr gefallen hat, nahm ich also an einer Leserunde zu Schlinks neuestem Roman "Das späte Leben" teil.

Während es in "Der Vorleser" anfangs um die Liebesbeziehung eines Jugendlichen zu einer zwei Jahrzehnte älteren Frau geht, ist der Protagonist in "Das späte Leben" mehr als 30 Jahre älter als seine Ehefrau. "Der Vorleser" basiert auf umfangreichen historischen Recherchen. Der vorliegende Roman wirkt dagegen konstruiert und teilweise schlecht recherchiert, dazu später.

Der eremitierte Hochschullehrer Martin Brehm ist 76 Jahre alt und unheilbar an Krebs erkrankt. Ihm bleiben nur noch wenige Monate. Er ist mit der 43jährigen Ulla verheiratet. Sie haben einen gemeinsamen sechsjährigen Sohn. Wie verarbeitet Martin nun die Gewissheit des unmittelbar bevorstehenden Todes, wie soll das Leben für seine Ehefrau und vor allem für seinen Sohn ohne ihn weitergehen ? Wie soll er die verbleibende Zeit nutzen, wie seinem Sohn in Erinnerung bleiben ? Körperlich ist Martin bis zum letzten Drittel des Romans noch fit, kann sogar noch Wanderungen mit dem Sohn unternehmen, kochen, reisen, ist sexuell aktiv. Er beginnt, einen Brief an den Sohn zu schreiben, den dieser in einigen Jahren als Erinnerung an den verstorbenen Vater lesen soll.

Dieser Roman liest sich, auch wegen der kurzen Kapitel, gut. Leider hat mich die Sprache Schlinks überhaupt nicht erreicht. Seltsam aus der Zeit gefallene Formulierungen und Beschreibungen haben dazu beigetragen. Die Figuren agieren wie in einem Setting, das vor zwanzig, dreißig Jahren angesiedelt ist. Der Schreibstil ist sachlich und nüchtern, was auch dazu führte, dass mich die Geschichte nicht berühren konnte. Zudem waren einige Dinge m. E. unglaubhaft dargestellt. Beispielsweise werden Martin Medikamente verschrieben, von denen schon der medizinische Laie ahnt, dass sie einem Krebspatienten nicht helfen werden. Zu lange bleibt Martin körperlich relativ unbeeinträchtigt von der Krankheit. Das erscheint schlecht recherchiert und somit unglaubhaft.

Martin beschließt, um die Familie zu entlasten, seine allerletzten Tage in einem Hospiz zu verbringen. Die Suche nach diesem Hospiz ist kein Problem. Nicht nur insofern merkt man dem Roman an, dass dem akademisch ausgebildeten und in wohl situierten Verhältnissen lebenden Autor die eigene Lebenswirklichkeit als sozialer Hintergrund für den Roman gedient hat. Die Figur der noch relativ jungen Ehefrau wirkt wie ein Konstrukt aus dem Elfenbeinturm des wohlsituierten Akademikermilieus und scheint zudem wenig zeitgemäß. Martin lernt seine Ehefrau als Studentin kennen, "sie wollte geheiratet werden", schließt ihr Kunststudium nur auf Martins Drängen hin ab und stellt eigene Bilder in einer Galerie aus. "Sie brauchte nicht zu arbeiten", Martins Einkommen, seine Pension als Hochschullehrer reichte und sie erwartete das Erbe des mütterlichen landwirtschaftlichen Betriebs. Der Sechsjährige redet sie mit "Mutter" an und während einer Wanderung stimmen Vater und Sohn das Lied "Das Wandern ist des Müllers Lust" an. Nein, das kann ich mir alles so nicht vorstellen und erneut wirkt die Geschichte auf mich konstruiert. Auch der Brief an den Sohn wirkt inhaltlich arg verkopft und als Lektüre für einen Teenager, als solcher soll der Sohn ihn einmal lesen, ungeeignet.

Positiv hervorzuheben sind die tiefgründigen Momente im Roman. So reflektiert Martin beispielsweise, dass die Jahre mit ihm und die Erinnerung an die Jahre mit ihm für seinen Sohn ein Grundstock an Gewissheit werden sollten, dass er, der Sohn, geliebt wurde. Das fand ich schön. Auch zu tiefgründigen Gedanken zu Gott, Gerechtigkeit, Vergänglichkeit, Alter und Liebe hat die Lektüre angeregt. Die schlüssige Verbindung dieser Gedanken zur erzählten Geschichte ist dem Autor leider nicht gelungen. Das liegt m. E. daran, dass Schlink sich damit hauptsächlich im Brief an den Sohn auseinandersetzt, was wiederum seltsam verkopft und ohne echte Ansprache an den Sohn anmutet. Martin scheint hier eher mit sich selbst zu monologisieren. Das letzte Kapitel, in dem die Familie ruhige, glückliche Tage an der Ostsee verbringt, waren berührend geschildert und hat mir am besten gefallen.

Letztendlich hat mich der Roman jedoch enttäuscht, weil er mich bei den angeschnittenen Themen nicht wirklich mitnehmen konnte. Dennoch, die Leserunde hat mir großen Spass gemacht und allein dafür hat sich die Lektüre gelohnt ! Ich vergebe knappe 3 Sterne.