Rezension

Erinnerungen

Wer morgens lacht - Mirjam Pressler

Wer morgens lacht
von Mirjam Pressler

Bewertet mit 4 Sternen

Anne ist 22, studiert in Frankfurt Biologie. Vor sieben Jahren verschwand ihre ältere Schwester Marie von einem Tag auf den anderen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Da sie kurz darauf 18 wurde und volljährig war, wurde die Suche eingestellt. Von Marie wurde nie ein Lebenszeichen gefunden, auch nach so vielen Jahren ist die Erinnerung an sie immer noch präsent, Anne wird bewusst dass sie sich ihren Erinnerungen stellen muss, um endlich Ruhe zu finden. Sie begibt sich auf eine Reise weit in ihre Vergangenheit, bis zurück in ihre frühe Kindheit.

Mirjam Pressler schreibt in ihrem Roman "wer morgens lacht" sehr eindringlich, mit viel Gefühl und in leisen Tönen über Annes Kindheitserinnerungen. Über Erinnerungen, die ein jeder im Laufe der Zeit speichert. Doch sind diese Erinnerungen auch objektiv? Oder ist es nicht vielmehr so, dass wir uns unsere Erinnerungen unbewußt so gestalten und zurecht biegen, damit wir damit klar kommen? Genau das fragt sich Anne. Als sie 15 ist, verschwindet ihre fast 18jährige Schwester Marie spurlos, doch für Anne ist sie immer noch jeden Tag präsent. Sie begleitet sie durch den Tag und stiehlt sich in Annes Gedanken. Irgendwann wird Anne klar, dass sie so nicht weiterleben kann. Sie muss ihre Vergangenheit aufarbeiten. Dafür nimmt sie sich Zeit, ganz altmodisch mit einen Block und Bleistift, und schreibt ihre Erinnerungen nieder. Je mehr sie sich von der Seele schreibt umso klarer wird ihr, dass sie ihre Erinnerungen trügen und nicht alles so war, wie sie es in Erinnerung hat.

"Wer morgens lacht" ist eine eindringliche Geschichte die berührt, betroffen macht und nachdenklich stimmt. Von Anfang bis Ende zieht sich eine Traurigkeit, wenn sich Anne an ihre Kindheit, an ihre Oma, ihre Eltern und Marie erinnert. Es war keine leichte und unbeschwerte Kindheit, wie Anne immer geglaubt hat. Der Vater interessenlos an seinen Kindern, die Mutter nur mit der Arbeit beschäftigt, so dass als Bezugsperson nur die Oma blieb. Anfangs hatte sie noch ein gutes schwesterliches Verhältnis zu Marie, das sich im Laufe der Zeit jedoch änderte. Denn Marie hatte alles, bekam alles, für Anne waren immer nur die abgelegten Sachen gut genug. Kein Wunder, dass Anne auf Marie einfersüchtig wurde und insgeheim vielleicht ganz froh war, als sie verschwand.

Es ist spannend, die Erinnerungen von Anne mitzuverfolgen, denn die Autorin hat eine wunderschöne Erzählweise und selbst kleine Dinge sind detailliert beschrieben. Die Geschichte kommt mit wenigen Protagonisten aus, im wesentlichen sind das Anne und ihre Familie. Die Personen sind sehr detailliert beschrieben, facettenreich und authentisch, ich konnte sie mir sehr bildlich vorstellen. Als Leser bekommt man einen guten Einblick in ihr Denken, ihre Gefühlswelt und in ihre Beziehung zu den anderen Familienmitgliedern.

Fazit: Mir hat das Buch gut gefallen, ich habe selten ein so intensives, wenn auch trauriges Buch gelesen.