Rezension

Erwachsenwerden in Neapel

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen - Elena Ferrante

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
von Elena Ferrante

Bewertet mit 4 Sternen

Giovanna lebt mit ihren Eltern in Vomero, einem wohlhabenden und gepflegten Stadtteil von Neapel. Hier oben, auf dem gleichnamigen Hügel mit Ausblick auf die tiefergelegene Stadt und das Meer, verläuft ihre Kindheit in geregelten Bahnen. Dies ändert sich schlagartig, als sie ihren Vater eines Tages hinterrücks reden hört, sie würde seiner Schwester Vittoria immer ähnlicher sehen. Ausgerechnet jener Tante, die ihren Eltern als Personifikation körperlicher und sittlicher Hässlichkeit gilt.
Somit fühlt sich die Dreizehnjährige erstmals darin bestrebt, sich auf Spurensuche in das tiefergelegene Neapel zu begeben - denn hier soll sie leben, in dieser gegensätzlichen und rauen Gegend. Und dann zieht es sie immer wieder hin zu ihrer Tante und in deren Umfeld, und Giovanna öffnet sich nach und nach eine Welt, die sie zugleich fasziniert und abschreckt.

Mit ihrem Grenzübertritt in den unbekannten, fremden Teil Neapels sowie diesen fremden Teil ihrer eigenen Familie, lernt Giovanna das wahre, unperfekte Leben der Erwachsenen kennen, indem sie immer öfter die Bequemlichkeiten des Lügens erkennt und mit jeder Begegnung selbst ein Stück erwachsener wird. Ständig schwankt sie hin und her, weiß nicht, wo sie eigentlich hingehört und wo sie wirklich hingehören will, leidet unter dem Familienkonflikt und dem Erwachsenwerden. Und dann macht sie im Verlauf des Buches eine richtig tolle Charakterentwicklung durch. Ferrante zeichnet unheimlich spannende Charaktere, alle mit Ecken und Kanten, und schafft somit ein vielschichtiges Melodram voller Antihelden. Ein toller Roman über eine zerbrochene Familie, ein verwundetes Körperbild, Freundschaft, Betrug und Loyalität. Das Ende war mir aber leider zu derb.