Rezension

Es ist und bleibt kompliziert.

Exodus - Leon Uris

Exodus
von Leon Uris

Bewertet mit 4 Sternen

Und mit jedem Versuch der Konfliktlösung, tritt man garantiert wieder Anderen auf die Füße, die man nicht auf dem Schirm hatte. Partei zu ergreifen fällt schwer, insbesondere, wenn sich herausstellt, dass die Geschichte, die ich gerade gelesen habe, doch sehr einseitig erzählt ist.

In Leon Uris Exodus, mit seinen 5 Büchern und 2 Erzählsträngen wird zum einen die Geschichte vom ehemaligen amerikanischen Vergnügungsschiff erzählt, das vom jüdischen Geheimdienst 1946 gekauft zum Flüchtlingsschiff Exodus umgebaut und schließlich zur Flucht von jüdischen Waisenkindern aus zyprischen DP-Lagern (DP - displaced persons - Kriegsflüchtlinge) in das britische Mandatsgebiet Palästina benutzt wurde. Die Engländer, den Arabern in militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht verpflichtet, versuchten mit allen Mitteln die Einwanderung der Juden nach Palästina zu verhindern. Eine spannende Geschichte, die tatsächlich fast (die Exodus startete in Marseille, Frankreich) so stattfand, und bei der ich entsetzt war, wie hartherzig die Entscheidungen fielen, wie erstaunlich der Wille der gebrochenen Vertriebenen anmuteten und wie beiläufig Tote in Kauf genommen wurden.
Zum anderen lesen wir von den Anfängen des Staates Israel, den unbedingten Willen der Emigranten, das Land zu besetzen, fruchtbar zu machen und zu verteidigen, von der "List" der Briten, ihr "Ärgernis" im Mandatsgebiet der UNO vorzutragen, um schließlich eine Abstimmung zu erzwingen, die zwar den Juden das Recht auf einen Staat zubilligten, gleichzeitig aber wenig Hilfestellung boten, sich der zu Recht wütenden Nachbarn zu erwehren.
Es ist kompliziert, und ich rechne es Uris hoch an, dass er zumindest den Versuch gestartet hat, alle Parteien mit ihren verschiedenen Neigungen und Zielen aufzuzählen. Ich habe mir mehrere Seiten im Buch markiert, wo dies auch sehr gut erklärt und auseinandergepflückt wird. Ich lernte, wie der Irak und Syrien entstand, wieviel unterschiedliche Interessensgemeinschaften es auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft gab und wie sich die Streitparteien im Laufe der Zeit änderten, Allianzen zerbrachen und neue entstanden.
Zusammengehalten wird die Geschichte von ein paar Protagonisten, heldenhaften Gründerfamilien auf der jüdischen Seite, einer hilfsbereiten Christin, arabischen Freunden, die sich aber dann doch nicht erweichen lassen, britischen Freunden und Feinden und (wie sollte es anders sein) zwei unerfüllten Liebesgeschichten, gefangen zwischen Pflicht und Leidenschaft.
Den kräftezehrenden Kampf um Israel, die Leidensgeschichten der Juden, das alles konnte ich sehr gut mitfühlen und akzeptieren, bis zu dem Punkt (ich weiß ihn gar nicht mal exakt zu benennen), wo mir das Araber- und Briten-Bashing bitter aufstieß. Alles was die Juden taten, ihre Interessen vertreten und töten, hatte seinen guten Grund und wurde mit viel Cleverness vollzogen. Alles was die Araber taten, Interessen vertreten und töten, war einfach nur brutal und primitiv. Dieser Ton hat mir die ansonsten sehr aufschlussreiche Lektüre doch ein Stück weit versalzen. Trotzdem möchte ich eine klare Leseempfehlung aussprechen, aber mit dem Hinweis, dass der Sieger die Geschichte schreibt.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 08. März 2021 um 00:25

Im besten Fall sollte es keine Sieger geben.

Die Parteiergreifung des Autors konnte ich sehr gut nachvollziehen. Ich sag nur Jamal Kashoggi.