Rezension

Es war einmal ...

Fairy Tale -

Fairy Tale
von Stephen King

Bewertet mit 4 Sternen

»Die Zeit ist wie Wasser, Charlie. Das Leben ist nur eine Brücke, unter der sie hindurchströmt.« (Zitat, S. 193)

 

Ein Zufall bringt den siebzehnjährigen Charlie Reade und den alten Mr. Bowditch zusammen als dieser unglücklich von einer Leiter stürzt, seine Hündin Radar Alarm schlägt und Charlie so zu ihrem verletzten Herrchen führt. Der Junge freundet sich schnell mit dem Hund an und auch der menschenscheue, einsiedlerisch lebende Mr. Bowditch wächst ihm schon bald ans Herz. Der alte Mann beschließt dem Jungen zu vertrauen und weiht ihn schließlich in ein lang gehütetes Geheimnis ein. Als Radar immer schwächer und kränker wird, fasst der Junge einen Entschluss und begibt sich auf eine abenteuerliche, märchenhafte Reise.

 

Wenn Stephen King ein neues Buch herausbringt, so darf man mit jedem Genre rechnen. Und auch wenn die Mehrheit King mit Horror verbindet, so wissen seine treuen Leser, dass etliche seiner besten Werke durchaus auch andere oder mehrere Genre gleichermaßen bedienen. Auch Märchen gehören zu Kings Repertoire und ich persönlich mag sowohl „Der Talisman“ (gemeinsam mit dem jüngst verstorbenen Peter Straub geschrieben), als auch „Die Augen des Drachen“ unglaublich gern. Aus der Turm-Saga dürfte wohl auch „Wind“ mit dazu zählen und auch das habe ich sehr gern gelesen. Mit „Fairy Tale“ hat sich der Autor ein Geschenk gemacht und etwas geschrieben, dass er gern selbst lesen wollte. Die Stimmen zum neuesten Werk des Meisters sind durchwachsen, ich für meinen Teil habe den Ausflug nach Empis - die Märchenwelt, in die Charlie über eine Treppe gelangt - genossen.

 

Ja, es gibt zahlreiche offene und versteckte Anspielungen auf andere Werke - daraus macht King keinen Hehl. Das Rad erfindet er nicht neu aber er lässt es eben auf seine ganz eigene und für mich immer noch faszinierende Art und Weise rollen. Den Stock, mit dem er es vor sich hertreibt, schwingt er nach wie vor gekonnt und so habe ich mich auch in „Fairy Tale“ verlieren können.

 

Bis der Roman allerdings zum Märchen wird, bekommt der Leser eine richtig gute erzählte Coming of Age-Geschichte serviert. Wir lernen den jungen Charlie und seine Familie kennen, durchleben Höhen und Tiefen der Reades. Das Leben verläuft niemals geradlinig und auch Charlie bildet da keine Ausnahme. Er gibt sich selbst ein Versprechen und der Wille dieses zu halten, bringt ihn schließlich auch dazu, mutig zu handeln, als es darauf ankommt. King schafft auch hier wieder wunderbare Charaktere und zeichnet diese kontrastreich mit feiner Hand. Protagonist und auch Nebenfiguren begleitet man gern. Wie immer schreibt der Autor detailreich, gibt gern kleine Hinweise auf Dinge, die noch passieren werden und hält so die Spannung hoch. Ich persönlich mag das sehr.

 

Gibt es Kritikpunkte? Ja aber nur kleinere, die mir das Lesevergnügen aber zu keiner Zeit trüben konnten. Mir fehlte es bspw. etwas an Kreativität die Überraschungsmomente betreffend. Irgendwie ahnte ich immer, was da kommen würde. Ich hätte mir ein paar echte "Oh mein Gott-Momente“ gewünscht - Passagen, die man unter Schock zweimal liest, weil man nicht glauben kann, dass das jetzt gerade wirklich passiert ist.

 

Insgesamt aber hat mich „Fairy Tale“ ohne Längen ausnehmend gut unterhalten und wieder Lust auf die bereits bekannten „Märchen“ Stephen Kings gemacht. Delain oder auch die Territorien sind definitiv eine erneute Reise wert, denn wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute ...