Rezension

Etwas anderes erwartet

Vom Aufstehen -

Vom Aufstehen
von Helga Schubert

Bewertet mit 3 Sternen

Mein unveräußerlicher Schatz

„Denn ich habe mir in meinem langen Leben alles einverleibt, was ich wollte an Liebe, Wärme, Bildern, Erinnerungen, Fantasien, Sonaten. Es ist alles in diesem Moment in mir. Und wenn ich ganz alt bin, vielleicht gelähmt und vielleicht blind, und vielleicht sehr hilfsbedürftig, dann wird das alles auch noch immer in mir sein. Das ist nämlich mein Schatz.

Inhalt

Helga Schubert resümiert in dieser Kurzgeschichtensammlung, die 29 verschieden Texte umfasst über ihr langes Leben. In beinahe willkürlicher Reihenfolge nimmt sie ihre Leser mit hinein in ihre Gedankenwelt, hinein in familiäre Ausflüge, in politische Gedankengänge, in gesellschaftliche Zwänge aber auch in das Hier und Jetzt, wie es sich anfühlt immer älter zu werden und welche Herausforderungen das Leben bereithält.

Meinung

Normalerweise liebe ich solche Texte, insbesondere, wenn sie in einer ansprechenden Struktur verfasst wurden und greifbar wirken. Die Rahmenbedingungen für dieses Buch könnten also nicht besser sein und dennoch bin ich vorwiegend enttäuscht von der Lektüre, gerade weil ich so eine hohe Erwartungshaltung hatte und die zahlreichen Lobesstimmen aus der geneigten Leserschaft mich dazu veranlasst haben, dieses Buch unbedingt zu konsumieren.

Im Wesentlichen sind es zwei Dinge, die mich nachhaltig gestört haben: Zum einen ist es die distanzierte Sicht auf die Menschen und Berührungspunkte in Helgas Leben, abschließend wirkt es so, als hätte sie viele Personen gekannt, die sie eigentlich nicht mochte und stattdessen ignorierte oder kritisierte. Andererseits wirkt sie nicht so, als wäre ihr das Alleinsein die liebste Lebensform gewesen.

Zum anderen sind es die vielen politischen Betrachtungen, die mich tatsächlich nur geringfügig interessiert haben, vielleicht auch deswegen, weil ich zu jung bin, für die entsprechenden gesellschaftlichen Hintergründe.

Fazit

Hier kann ich leider nur 3 mittelmäßige Lesesterne vergeben. Sprachlich ist das Buch ein Genuss und auch die Idee dahinter, die mich an ein buntes Kaleidoskop eines langen Lebens erinnert, finde ich sehr gut, doch gerade die emotionale Ebene kommt mir hier viel zu kurz, dass tatsächlich Private, die Schlussfolgerungen, die gezogen werden.

Eigentlich kann ich diesem Buch nur sehr wenig entnehmen, es besitzt längst nicht die Aussagekraft, die ich ihm gewünscht hätte und es wäre mir deutlich lieber gewesen, einen Roman in seiner Gesamtheit vorzufinden, als nun diese Kurzgeschichtensammlung. Die einzelnen Storys hätten auch von 29 verschiedenen Personen stammen können statt von einer Einzigen und das verbindende Element bleibt mir zu weit im Hintergrund.

Ich glaube, dass Buch findet seine Leser, es kann sehr einprägsam wirken, wenn man etwas entdeckt, dass einem selbst wichtig ist und es entfremdet eher, wenn man keine Berührungspunkte (privat, politisch, familiär, gedanklich) ausmachen kann. Leider zähle ich mich zur zweiten Gruppe und die Fremdheit überwiegt.