Rezension

Familienroman, Zeitreise, Gefühlsachterbahn ...

Der Salon -

Der Salon
von Julia Fischer

Bewertet mit 5 Sternen

Leni macht eine Friseurlehre bei ihrer Mutter im beschaulichen Herbsthausen und hat große Träume. Ihren ersten Schritt macht sie damit, dass sie in einem vornehmen Friseur in München anfängt und dort fleißig voranschreitet. Währenddessen hadert ihr Bruder Hans mit seinem Medizinstudium und kämpft mit seinem Gewissen, seiner Scham und seinem Stolz. Seine eigentliche Liebe gehört der Jazzmusik und einer verheirateten Frau, Charlotte. Drei Menschen im Strudel der Zeit, mit Höhen und Tiefen und dem Aufbruch in eine neue Ära. Wird Leni auch noch Zeit für ihr Herz haben? Für was wird sich Hans entscheiden? Und kann Charlotte der Ehehölle entfliehen?

Julia Fischer hat ja schon lange einen Platz in meinem Bücherregal und zwar einen Stammplatz und was liebe ich ihre Art zu schreiben und ihre Bücher. Nun wagt sie sich an etwas Historisches ran und lässt die Zeit nach dem Krieg beziehungsweise die Fünfzigerjahre mit ihren wirtschaftlichen Aufschwung in München erblühen. Der Auftakt zu einer Familiensaga und ob mir dieser gefallen hat, erzähle ich euch nun.

Wir schreiben das Jahr 1956 und befinden uns in Herbsthausen ganz in der Nähe von München. Dort lebt Käthe Landmann mit ihren Kindern Hans und Leni und dort wartet sie immer noch auf die Rückkehr ihres Mannes Otto aus dem Krieg. Keiner glaubt mehr an dieses Wunder, aber Käthe hält sich daran fest und gibt alles für ihre Kinder. Leni muss früh in den Friseursalon mit einsteigen, damit sie das Studium für den Hans finanzieren können. Medizin muss es sein, wie der Vater sich das gewünscht hat. Allerdings haben beide Kinder auch noch Träume und die sich einzugestehen und zu verwirklichen ist hier die Geschichte. Immerhin ist es eine Zeit im Aufbruch und im Wandeln und doch liegt über allem noch der Hauch der Vergangenheit und die Zwänge der Gesellschaft werden wieder enger. Während Leni also zur starken, anpackenden Frau heranwächst, was die Männerwelt nicht wirklich ertragen kann, muss sich Hans sich selbst und seiner Familie stellen.

Was für packende Figuren, die einem schnell ans Herz wachsen und durch ihre Verschiedenheit einen geschichtlichen Rundumblick bieten. Während Leni aus der Provinz kommt und sich durch ihren Fleiß und ihrem Talent was aufbaut, hadert ihr Bruder ständig mit sich selbst. Das Andenken des Vaters nicht zu beschmutzen und doch ist der Kriegsschatten auf seiner Seele groß, außerdem schuften seine Mutter und Schwester so hart für ihn, das kann doch nicht vergebens sein, und doch liegt ihm die Medizin nicht, seine Gabe ist die Musik und darin geht er auf. Und über Hans kommen noch mehr Figuren ins Spiel, Charlotte ein ehemaliges Mannequin, welche in einer Ehehölle steckt und in die er sich unsterblich verliebt, sowie seine Freunde Karl, Schorch und Frieda. Frieda ist die einzige Medizinstudentin und muss sich so einige Sprüche anhören, aber sie kann sie alle elegant parieren. Schorsch hat der Krieg große Verluste zugesetzt, die sein Leben heute noch beeinflussen. Er ist ruhig, hilfsbereit und heimlich in Leni verliebt. Ein besonnener Mann, der sich selbst sehr zurücknimmt, um für jeden da zu sein. Und Karl aus gutem Hause, dessen Lebensweg schon vorgeschrieben ist, der sich nicht wirklich bemühen muss, da ihm alles zufliegt, auch Lenis Herz.

So lässt die Autorin verdammt viel einfließen, da haben wir die Gedanken nach dem Krieg, die Scham, das Vergessen und die Ausbeutung der Geächteten. Den Verlust von geliebten Menschen, das Sehnen nach vergangenen Zeiten und die Ohnmacht, das auch die Verbrecher wieder mit in der Politik Amt regieren. Auch das Frauenbild finde ich richtig gut eingefangen, wie sie trotz ihrer Arbeit beim Aufbau des Landes wieder hinter ihren Herd gestellt werden und alle ihrer Rechte aberkannt, das Bild ist schauderhaft und Leni hierin eine Revolutionärin. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, das Modell sein Früher geächtet und als billig empfunden wurde und heute will es jedes junge Mädchen werden. Es ist verrückt und noch gar nicht so lange her. Auch Fridas Rolle ist gut eingebunden und lässt auch so einige Einblicke einfliessen. Außerdem lässt Julia Fischer diese Zeit durch ihre Worte und Beschreibungen richtig bildgewaltig aufblühen und man sieht alles in Farbe und gestochen scharf.

Somit hat mich der Auftakt gepackt, diese Zeitreise war ein Genuss und das Ende einfach tragisch, das man einfach wissen möchte, wie geht es weiter, was passiert noch und tauchen alle Figuren wieder auf. Wie gut das die Autorin verraten hat, dass dieses Jahr noch der zweite Band erscheint, das macht mich glücklich und freut mich immens, denn ich muss wissen, wie es weitergeht. Ein Auftakt, der jedes Abendprogramm blass aussehen lässt und man lieber zu diesem Buch greift, absolut packend aufregend ist und einem regelrecht in die Seiten hineinzieht.

Der Salon ist mehr als nur ein Familienroman, es ist eine Zeitreise und ein geschichtlicher Ritt, der fabelhaft unterhält, einen ergreift, auf eine Gefühlsachterbahn schickt und besser als Kino ist. Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung.