Rezension

Familienstudie mit schwarzem Humor

Großes Sommertheater - Frank Goldammer

Großes Sommertheater
von Frank Goldammer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Hier begegnen wir einer Familie, um die man eigentlich einen großen Bogen machen wollte. Wenn nicht Frank Goldammer über sie schreiben würde.

Der alte, schwerkranke Joseph erfüllt sich einen Herzenswunsch. Er lädt seine drei Söhne und deren Familien in sein Haus an der Ostsee ein. Die reisen auch tatsächlich an, obgleich sie untereinander völlig zerstritten sind. Immerhin gibt es ein beträchtliches Erbe, das man nicht außer Acht lassen sollte.

Der Kriminalautor Frank Goldammer hat sich hier einem neuen Genre zugewandt. Er macht sich einen Spaß daraus, ziemlich verdrehte und, wohlwollend formuliert, eher unsympathische Menschen aufeinander loszulassen, und schafft auf diese Weise seine erste Familiensatire.

Die Hoffnung, es könne so nett weitergehen wie im Prolog, in dem ein typischer, heißer Strandtag augenzwinkernd und mit Liebe zum Detail beschrieben wird, verliert sich schneller als eine Fußspur im Sand, wenn die Flut heran rollt. Böse wird es. Und zwar richtig böse. Nach und nach tauchen die Gäste auf, von denen etliche die übelsten Klischees bedienen. Besonders der kleine Rocco vereint in sich die Ideen ganzer Heerscharen ungezogener und fantasiegesegneter Dreijähriger und findet ständig Möglichkeiten, sie auch zu realisieren und für Zündstoff zu sorgen. 

Das Ganze nennt sich Sommertheater. In der Tat liest es sich ein wenig wie Regieanweisungen eines Theaterstückes. Es wird ganz genau hingeschaut, beobachtet und mit diebischer Freude - doch, die ist zu spüren - jede der Kollisionen, die sich überall ereignen, beschrieben. Dialoge gibt es kaum, das Augenmerk ist auf die Aktionen gerichtet. Oder vielmehr auf die Reaktionen, denn die machen erst alles richtig spannend.

Zwischendurch erfahren wir in Rückblenden vieles über das Leben Josephs. Ferner erfahren wir, dass auch menschliche Tragödien, die in Josephs Werdegang eine bedeutsame Rolle spielen, mit reichlich schwarzem Humor erzählt werden können.

Sehr leserfreundlich ist der Stammbaum auf der letzten Umschlagseite. Obwohl sämtliche Personen ausgesprochen unverwechselbar skizziert, sogar gewollt überzeichnet sind, ist es hilfreich, ab und an einen Blick darauf zu werfen.

Natürlich ist man froh und erleichtert, dass einem eine solche Verwandtschaft erspart bleibt. Doch bald schleichen sich leichte Zweifel ein. Diese oder jene Eigenschaft - erinnert sie nicht an Onkel Soundso? Es folgt möglicherweise eine Erkenntnis. Nämlich, dass Familien, wahrscheinlich alle Familien, wirklich interessante Studienobjekte sind.