Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Fast wieder so gut wie Band 1

Im Schatten unserer Wünsche - Jeffrey Archer

Im Schatten unserer Wünsche
von Jeffrey Archer

Jeffrey Archer lässt den Leser in Im Schatten unserer Wünsche nicht so leicht von der Angel. Schon der Anfang hat bei mir kleine Herzaussetzer verursacht. Und um eins vorweg zu nehmen: In diesem Band wird es einige solcher Aussetzer geben. Denn dieser Band trumpft mit so einigen Ereignissen auf, die den Leser gespannt ans Buch fesseln, emotional mitnehmen und dennoch mit einer besonderen Finesse in den Handlungssträngen überzeugt.

Es ist schwierig für mich die Handlung nicht zu spoilern. Deswegen: Wer das Buch erst noch lesen möchte, sollte vielleicht zum Fazit springen. Denn ich komm ohne Spoiler nicht mehr aus.

Wie ich bereits erwähnte, startet Jeffrey Archer diesen Band direkt mit einem kleinen Schocker. Wer den dritten Band und den Schluss noch vor Augen hat, weiß wie böse der Cliffhanger war. Diese Angst, die man als Leser an der Stelle hat, hat der Autor perfide ausgenutzt, um seinen Leser kurz den Boden unter den Füßen wegzuziehen. So merkwürdig es klingt, ist man als Leser so mit der Familie um Harry, Giles und Emma verwoben, dass man irgendwie glaubt, dass denen nie etwas passiert. Das nun, da alle erwachsen sind, alles gut wird. Letztendlich beweist Archer in Im Schatten unserer Wünsche, dass sich der Leser da nicht zu gemütlich ins gemachte Nest setzen sollte. Denn so schön und einig das alles oftmals ist, Archer kann auch anders.

Sebastian kommt tatsächlich noch mit dem Leben davon. Durch ein Missverständnis. Durch Glück im Unglück. Und das zieht, wie sollte es auch anders sein, den Groll von Don Pedro Martinez auf sich. Der wollte sich ja mit dieser Autounfall-Aktion Sebastian entledigen. Dafür ist nun sein eigener Sohn gestorben. Und wie den Südländern halt nachgesagt wird, haben die ein sehr aufschäumendes Gemüt. So auch hier.

Aber Martinez ist nicht nur der Klischee-Südländer. Jeffery Archer hat ihn schlau gemacht. Auf böse Art und Weise schlau. Aber das gibt der Geschichte ordentlich Zunder. Denn es tauchen im Verlauf der Geschichte immer wieder Widrigkeiten für Sebastian, Harry und Co. auf. Dass Martinez da seine Fingerchen im Spiel hat, ist da nicht verwunderlich. Als Sympathisant seitens Clifton und Barrington ist man natürlich dazu verführt, jedem Widersacher dieser Familien die Pest an den Hals zu wünschen. Und keine Sorge, so ging es mir tatsächlich auch mit ihm. Doch ein Stück weit bewundere ich diesen Schurken. Denn er macht seine Sache echt schlau. Und selbst Agenten des Vereinigten Königreichs fangen an sich einzumischen, weil der Kerl es echt faustdick hinter den Ohren hat.

Innerhalb des Buches liest man sich durch ein Katz und Maus-Spiel. Es ist ein ewiges Hin und Her, eine stetiges Vermuten, wer jetzt am längeren Hebel sitzt. Und oftmals ist es tatsächlich so, dass Martinez seine Hausaufgaben gemacht hat und dementsprechend zwei Schritte Vorsprung hat.

Und ohne einige neue schicksalshafte Begegnungen würde das Blatt der Cliftons und Barringtons sicher ziemlich schlecht ausfallen. Hier lässt sich langsam feststellen, dass die junge Generation der Cliftons, sprich Sebastian und Jessica, immer mehr in den Fokus der Geschichte geraten. Okay, mit knapp Mitte bis Ende Dreißig gehören Harry und Co. nicht direkt zum alten Eisen, aber langsam sind diese großen Herausforderungen und auch Settings um diese Personen nicht mehr so vielfältig. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass Emma oder Harry je in den Hintergrund der Saga rücken, aber die Reihe wird noch ein Weilchen bestehen bleiben.

Meiner derzeitigen Info nach, wird es sieben Bände geben. Da jeder Band so knapp eine Dekade umreißt, werden wir, wenn Archer denn mag, noch einigen Nachwuchs und einige Charakterfluktuation erleben.

Was mir besonders gut in diesem Band an den Figuren gefällt, ist dass sie einfach nicht langweilig werden. Sie haben ihren unumstößlichen Kern, ihre eigene Art und die greift der Autor immer wieder gekonnt auf. Das schließt eine Entwicklung in den Charakteren aber auch nicht aus. Und das setzt Archer großartig um. Zum Beispiel Harry, der ja durchweg in den letzten Büchern immer sehr besonnen ist, alles richtig macht und irgendwie immer der Mr. Nice Guy war, entwickelt in diesem Band eine Störrigkeit, die ihm einige Zeit später zum Verhängnis wird. Und die an ihm nagen wird. Das sind meines Erachtens solche Entwicklungen, die mit Negativität losgetreten werden, aber den Protagonisten einfach vielseitiger und authentischer machen.

Und dann kennen einige vielleicht noch Major Fischer. Die olle Nervensäge, die sich immer an irgendwen dranhängt, um größtmöglichen Nutzen für sich aus der Sache zu ziehen und nebenbei der Barrington-Familie schaden möchte, wo es nur geht. Oh, was fand ich das nervig, dass er auch in diesem Band wieder seine Bühne bekam. Aber ich wurde auch hier eines Besseren belehrt. Leiden kann ich den Kerl immer noch nicht. Aber erstmals seit Ewigkeiten, hatte ich das Gefühl, dass in ihm doch noch so etwas wie ein Gewissen schlummert. Ein Stimmchen, was ihm den richtigen Weg aufzeigt.

Solche Sachen mag ich an dieser Reihe. Man meint irgendwann Jeffrey Archer und seinen Plot zu verstehen und dann macht er solche Sachen. Charaktere abändern kann jeder. Aber Archer hat einen großen Masterplan. Und genau diese Sachen arbeiten dem Finale, was irgendwann mal kommt, entgegen. Das ist nur ein kleiner Part, aber das Krümmelchen Sand, welches den Berg erst zu einem macht.

Noch ein paar Dinge, die weniger Plotlastig sind, die es aber zu erwähnen gilt.

Im Schatten unserer Wünsche ist mit seinen 544 Seiten ein mittlerer Klopper. Vor dem man aber um Himmels Willen nicht zurückzuschrecken braucht. Denn der Schreibstil von Jeffrey Archer ist von einer wunderbaren Erzählstimme geprägt. Die Kapitel und gewisse Teilabschnitte des Buches legen oftmals den Fokus auf einen Handlungsstrang oder eine Person. Dadurch bekommt man nicht nur diesen wunderbaren Einblick in die Schurkenrolle, nein, auch das Erzähltempo ist ein ordentliches. Dass das Buch an manchen Stellen auch etwas dialoglastiger ist, tut sein Übriges, damit man relativ zügig durch die Geschichte kommt. Den absoluten Vogel schießt Jeffrey Archer aber im letzten Drittel in diesem Roman ab.

Wie ich bereits erwähnt habe, gibt es hier und da gewisse Katz und Maus-Spiele. Die allein geben dem Buch punktuell im jeweiligen Handlungsstrang ihren ganz eigenen Spannungsbogen. Allerdings das wahre und cremigste Spannungs-Topping wird dem Leser erst gegen Ende aufgetischt. Es ist einfach hochspannend. Es war ganz fürchterlich schön das zu lesen, weil man einfach nicht aufhören kann. Es geht nicht. Es ist wie in einem Film, wie bei einer Katastrophe, die du anrollen siehst und weißt, dass es furchtbar wird. Und wenn irgendwas noch richtig laufen soll, muss ein Wunder geschehen. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich regelmäßig geatmet habe, als ich das gelesen habe. Allein der Gedanke daran zurück, versetzt mich wieder in eine ähnliche Anspannung.

Ein wahrer Clifton-Saga-Roman endet aber nur mit einem Cliffhanger. Und deswegen werden die Fans auch hier wieder ein gutes halbes Jahr warten müssen, bis sie erlöst werden. Und dazu zähle ich mich garantiert.

 

Fazit

Im Schatten unserer Wünsche hat mich fast schon wieder so sehr begeistern können, wie einst Spiel der Zeit. Band eins der Saga. Dieser Band glänzt mit unglaublicher Spannung, überraschenden Ereignissen und – wie sollte es anders sein? – Intrigen an jeder Straßenecke! Große Leseempfehlung für Fans der Reihe!