Rezension

Faszinierend anders

Das Lied des Propheten -

Das Lied des Propheten
von Paul Lynch

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch ist anders. Besonders prägnant ist die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist. Anders als bei den meisten Büchern finden sich hier keine Satzzeichen, die direkte Reden oder einen Sprecherwechseln kennzeichnen. Als Leserin bzw. Leser hat man das Gefühl, außerhalb der Geschichte zu stehen. Wie hinter einer Glasscheibe, während eine neutrale Stimme alles berichtet: von den Bewegungen der Figuren, über ihre Gespräche bis hin zu ihren Klamotten. Wie Audiokommentiert. Sehr ungewöhnlich und es dauert ein bisschen, in diese Art der Erzählung hineinzufinden. Der Spannung des Buches tut dies jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil. Obwohl die Leserin/der Leser quasi als unbeteiligter Zuschauer an der Handlung teilnimmt, wird sie/er direkt mit hineingezogen. Die Angst, die Verzweiflung, die Hilflosigkeit angesichts der Situation sind so greifbar, als wären es die eigenen Gefühle und Gedanken. 

Die Geschichte, die erzählt wird ist eine, die jederzeit eintreten kann. In dem Moment, in dem der Staat beginnt, autoritär zu handeln. Ab dem Moment, wo zu viel Macht auf zu wenige Menschen aufgeteilt ist. Ab dem Moment, ab dem Angst gewinnt und die Gewalt regiert. Es sind Bilder aus dem Geschichtsunterricht, Bilder aus der Vergangenheit und Bilder, wie sie auch jetzt auf den Fernsehbildschirmen zu sehen sind. Eine Geschichte, in der die Demokratie und das Leben, das damit verbunden ist, kippen und einem unbarmherzigen und brutalen Regime den Platz überlassen.

Es ist ein erschütterndes und ehrliches Buch, das eine Geschichte erzählt, die über unserem Leben wie ein Damoklesschwert schwebt und hoffentlich nicht eintreffen wird.