Rezension

First Friend der First Lady - muss man nicht gelesen haben

Meine Zeit mit Eleanor - Amy Bloom

Meine Zeit mit Eleanor
von Amy Bloom

Bewertet mit 2 Sternen

Am 27.4.1945 treffen sich in einer Wohnung in New York Eleanor Roosevelt (1984-1962) und ihre Geliebte Lorena Alice Hickok, Spitzname „Hick“ (1893-1968), um gemeinsam die Kondolenzbriefe zu F. D. Roosevelts Tod zu sichten und Rückschau auf ihre eigene Beziehung zu halten. Am 8.5.1945 endete der Zweite Weltkrieg und viele amerikanische Soldaten waren zu diesem Zeitpunkt noch in Europa im Einsatz. In der Ichform blickt Hick auf Ereignisse vor 12 Jahren zurück, als sie Eleanor Roosevelt bei ihrer Arbeit als Journalistin für Associated Press kennenlernt und sich in sie verliebt. Wer über Football schreiben und sich in einer Männerwelt durchsetzen wollte, musste damals wie ein Kerl sein. Zwei selbstbewusste Frauen treffen aufeinander, von denen die eine aus reichem amerikanischen Ostküstenadel stammte, der es ihr ermöglicht hätte, nach eigener Fasson glücklich zu werden, und die andere sich aus einfachsten Verhältnissen hocharbeitete bis zur Journalistin, die über die Entführung des Lindbergh-Babys berichtete. Eleanor Roosevelt war 12 Jahre lang First Lady und brachte in 10 Jahren 6 Kinder zur Welt. Franklin D. Roosevelt hatte währenddessen eine jahrzehntelange Affäre mit seiner Sekretärin Missy. Als er zum Präsidenten gewählt wird, zieht „Hick“ mit ins Weiße Haus, offiziell tut das eine Reihe von Freunden und Verwandten des Präsidentenpaars. Später wird Hickok auch im Weißen Haus angestellt sein. Als „First Friend“ der First Lady war Hickok allen Beteiligten sichtbar, wurde jedoch dadurch unsichtbar gemacht, dass man sie aus Fotos heraus retuschierte.

Blooms biografischer Roman, den sie selbst als „von vorn bis hinten fiktiv“ bezeichnet, könnte das Bild zweier ungewöhnlicher Frauen zeigen. Eleanor Roosevelt war eine einflussreiche Frau, die ihrem Mann die sozialen Themen lieferte, mit denen er sein Ansehen stützen konnte; Hickok stand als Journalistin mitten im Leben. Da fragt man sich doch sofort, welchen Einfluss Hickok auf ihre Partnerin und damit auf Roosevelts Politik gehabt haben könnte. Leider vergibt die Autorin ihr Thema schon durch die Wahl der Ichperspektive. Als Leser wird man so auf Hickoks von der Autorin vermuteten Wissensstand von 1945 beschränkt, die z. B. damals noch annehmen musste, Roosevelt wäre an Polio erkrankt.

Da die unsichtbar gemachte Liebhaberin als Beispiel stehen könnte für einen Staat, in dem körperlich, seelisch oder moralisch schwer angeschlagene Staatsoberhäupter der Bevölkerung ebenso geschickt verkauft werden wie hier die Liebhaberin, hätte ich mir mehr Sichtweisen gewünscht als nur die beschränkte Perspektive „Hicks“. Ärgerlich fand ich, dass die im Text genannten Personen der Zeitgeschichte nur schwer zeitlich eingeordnet werden können, wenn Rückblenden nicht in chronologischer Reihenfolge erzählt werden. Und das in einer Schicht und einer Epoche, in der häufig Joe junior oder Joe senior zu unterscheiden sind - z. B. durch die Jahreszahl eines Ereignisses.

Die Amtszeit Roosevelts und der Lebenswandel des Ehepaars samt Liebhaberin sind unzweifelhaft ein interessantes Thema – zu dem man diesen Roman nicht gelesen haben muss.