Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Flucht aus Buchenwald

Flucht aus Buchenwald - Grigori Sintschenko

Flucht aus Buchenwald
von Grigori Sintschenko

Das unfassbare und beeindruckende Leben eines Mannes, der im Konzentrationslager Buchenwald war und auch später in der Sowjetunion in Arbeitslager gefangen gehalten wurde.

Das Buch war für mich sehr schwer zu lesen. Der Autor hat in seiner Autobiographie exakt, ungeschönt, wahrheitsgemäß und ausführlich die Fakten berichtet, ohne die Leser zu schonen.

"Und dann kam der Befehl, dass alle Juden den Deutschen ausgeliefert werden sollten. Ein riesiges Loch wurde hinter dem Traktorenwerk in Charkow ausgegraben. Tausende von Juden wurden zusammengetrieben und mit Maschinengewehren niedergeschossen.Einige wurden getötet, andere nur verletzt. Alle fielen ins Loch , und unmittelbar danach holten die Deutschen Traktoren und fingen an, das Loch mit Erde zuzuschütten. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, die Verletzten zu töten. Die Soldaten begruben sie lebendig unter der Erde."  (S.134)

"Sie streckten mich, so dass meine Hände auf dem einen Tisch und die Beine auf dem anderen lagen. Der Körper hing dazwischen.. Meine Hände und Füße wurden angekettet.....   und damit meine Schreie nicht die schwachen Nerven der Folterer strapazierten, machten sie Musik an. .......Ich wurde sehr langsam geschlagen. Man spürte es förmlich, dass die Folterer jeden Schlag genossen.......Nach dem zwanzigsten Schlag machten sie  wieder eine Pause und tauschten die Plätze.....Mein Körper brannte unerträglich. Es kam mir vor, als ob ein heißes Eisen auf meinen Rücken lag und ich in viele kleine Teile gerissen wurde." (S.168)

Der Autor hat eine wahre Odyssee hinter sich. Er wird als "Freiwilliger" nach Deutschland zum Arbeitseinsatz geschickt und kommt in ein Arbeitslager, wo er fast verhungert. Er flieht von dort, wird gefasst, kommt in Dresden ins Gefängnis, wo er bestalisch gefoltert wird (s.o.). Erstaunlicherweise überlebt er die mehrfache Folter und wird ins Konzentrationslager Buchenwald überstellt. Nach langer Zeit flieht er auch von dort und lebt versteckt im Wald. Nachdem er am Verhungern war, stahl er nachts auf einem Bauernhof zwei Hühner.

"  Zuerst nahm ich mir die Hühner vor.. Ich trat auf den Kopf, zog daran, und der Kopf fiel ab. Mit Heißhunger fing ich an, das Blut zu trinken. .......Um ein Huhn abzurupfen, hatte ich nicht genug Geduld. Ich riss es in Stücke und holte das Innere heraus. Der Leser möge es mir verzeihen, aber ich drückte das Innere des Darmes heraus und aß es zusammen mit den abgeschälten Eicheln......Ich aß langsam und kaute das Fleisch sorgfältig mit den Eicheln durch.Was für ein Genuß war es doch ! " (S.213-214).

Er überlebt auch die Zeit im Wald, wird von einer christlichen Bauersfamilie gerettet und nicht verraten. Als der Krieg beendet war, wurden die überlebenden Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter gesammelt und wieder in ein Lager gebracht.

"Am nächsten Tag wurden wir in Gruppen aufgeteilt. Die Frauen wurden in ein Frauenlager gebracht, von wo sie aus sie nach Hause geschickt werden sollten. Die Männer wurden noch einmal in zwei Gruppen ;die jüngeren bis fünfundzwanzig Jahren in die eine Gruppe und die älteren in die andere. Später erfuhr ich, dass die älteren Männer nach Sibirien zum Baumfällen geschickt wurden. Ich, wie auch der Rest der Gruppe, wurden in die Armee eingeschrieben." (S.254) 
 
So muss der Autor noch einige Jahre als Soldat dienen Dabei gerät er auch hier in Schwierigkeiten, da er sich zum christlichen Glauben bekennt und den christlichen Glauben ausübt. Das war in der UdSSR nicht sehr gern gesehen. Die Sowjetunion betrachtete das Christentum als eine Art Sekte. Daher wurde der Autor beschworen, sich von der "Sekte" abzukehren, was er verweigerte. Also landete er immer wieder in Gefängnissen oder Lagern.

Mich hat das Buch sehr beeindruckt. Unfassbar fand ich den überwältigten Überlebenswillen des Autors. Man kann sich gar nicht vorstellen, so eine Tortur ohne massive Verletzungen an Körper und Geist zu überstehen. Dass er es überleben konnte, da hat ihm sicher sein Glaube geholfen.

Ich bin froh, dass Grigori Sintschenko seine Lebenserinnerungen aufgeschrieben hat. Es darf niemals in Vergessenheit geraten, wie Menschen in totalitären Staaten verraten, gefoltert und unmenschlich behandelt wurden und werden.