Rezension

Flüstertüte ohne Knalleffekt

Der Kinderflüsterer - Alex North

Der Kinderflüsterer
von Alex North

Bewertet mit 3 Sternen

"Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann? ... Niemand! ... Und wenn er kommt? ... Dann laufen wir!" - Eines der vielen Spielchen aus Kindertagen, dass uns regelmäßig schreiend  durch die Gegend laufen lies. Die Vorstellung, dass "jemand" hinter einem her ist und einen fangen will, jagt jedem Kind (natürlich auch Erwachsenen) gehörige Schauer über den Rücken. Auch andere finstere Gestalten treiben gerne bei und mit Kindern ihr Unwesen, sei es das obligatorische Monster unter dem Bett und/oder im Schrank, der gruselig-feuchte Keller mit seinen krabbeligen Mitbewohnern oder der Dachboden, der so einige Schattenfiguren und andere Kreaturen zu beheimaten scheint...

Tom und Jake sind ein Vater-Sohn-Gespann, dass nach dem plötzlichen Tod der geliebten Ehefrau und Mutter Rebecca, erkennen und lernen muss, zueinander zu finden. Zu tief sitzt auf beiden Seiten der Schmerz des Verlusts und des nicht-verstehen-könnens. Tom entschließt sich, mit Jake in dem beschaulichen Featherbank einen Neustart zu wagen, auch in der Hoffnung, sich seinem Sohn endlich näher zu fühlen, der bis dahin stets eine starke Verbindung zu seiner Mutter gehabt hat. Featherbank wurde vor 20 Jahren Schauplatz eines perfiden 5-fachen Kindermörders, der von allen nur der "Kinderflüsterer" genannt wurde. Auch wenn die letzte Jungenleiche nie gefunden wurde, wiegt man sich doch in Sicherheit, denn der Täter, Frank Carter, sitzt seit 20 Jahren im Gefängnis. Die beiden neuen Bewohner Featherbanks wissen nichts von den Morden, allerdings passieren schon kurz nach ihrem Einzug merkwürdige Dinge - erneut wird ein Junge vermisst und Jake selbst scheint sich immer mehr zurück zu ziehen, wirkt verängstigt - könnte es an dem neuen Haus liegen, dass im Ort einen gewissen Ruf weg hat oder an dem Flüstern, dass nun in der Nacht auch an Jake´s Fenster zu hören ist? Tom gibt dennoch nichts auf die Geschichten aus dem Ort und schiebt das Verhalten von Jake auf anfängliche Startschwierigkeiten in der neuen Umgebung, bis sich die Ereignisse zu überschlagen scheinen und Tom sich so manchem Dämon stellen muss...

Als ich den Roman "der Kinderflüsterer" anfing zu lesen, war ich mir gar nicht im Klaren darüber, dass es gerade einen großen Hype um dieses Buch gibt. Der Hinweis des Verlages auf dem Cover, "einen Jahres-Bestseller" in den Händen zu halten, wird ja zu gerne mal schnell zur Steigerung der Verkaufszahlen gut sichtbar plaziert. Trotzdem fand ich die Idee dahinter spannend, das Spiel mit den Urängsten als Leitfaden. Wird der Roman, der eigentlich eher zum Genre Krimi oder Thriller passt, dem überhaupt gerecht?

Teils teils... Gefühlt werden hauptsächlich die verschiedenen Gemütsverfassungen einiger Protagonisten erzählt - Tom, der sich selbst als ständigen Versager sieht, was seinen Sohn und dessen Erziehung betrifft, auch den plötzlichen Tod seiner Frau kann er kaum überwinden und verliert sich ständig in gedanklichen Gesprächen bzw Rückblenden mit ihr. Von Jake erfährt man, dass er sehr gerne zeichnet und eine imaginäre Freundin hat, die anders ist als andere Kinder. Er leidet eher still und hat immer das Gefühl, seinen Vater zu enttäuschen, ihm nicht gerecht zu werden, dadurch zieht er sich immer mehr zurück. Vater und Sohn drehen sich irgendwie permanent im Kreis und finden erst einmal nicht zueinander, für mich wurde diese angespannte Familiensituation zwischen den beiden immer mal wieder als belastend empfunden. Auch Pete, der Ermittler, der 20 Jahre zuvor die Kindermorde untersucht und aufgeklärt hat, trägt einiges an Problemen mit sich herum, die sich im Laufe des Lesens zwar teilweise aufklären, aber auch wieder andere Fragen aufwerfen. Überhaupt empfand ich den Ermittler als eher unsympathisch - launisch, Ex-Trinker, eben ein unzufriedener Zeitgeist. Die anderen Mitstreiter werden emotional zum Glück nicht so auseinander gepflückt, sondern bekommen ihre Rollen zugeteilt, was mir für das Verständnis der Story vollkommen ausreicht.

Der Schreibstil ist flott zu lesen, man pendelt quasi in recht kurzen Kapiteln zwischen den verschiedenen Protagonisten und deren Erleben im Roman hin und her, nur bei Tom wird die Geschichte in Ich-Form erzählt. Immer wieder baut der Autor eine geheimnisvolle und gruselige Stimmung auf, gerade, wenn es um das neue Haus und Jake geht, in manchen Passagen ist Gänsehaut garantiert, man kann das Flüstern, das Geknarze im Haus hören und Jake´s Angst deutlich spüren, auch die schaurigen Reime, die einen durch das Buch begleiten, lassen viel Spiel für ein Kopfkino. Trotzdem verliert sich die Spannung immer mal wieder, man hat öfter mal das Gefühl, beim lesen auf der Stelle zu treten und irgendwas übersehen zu haben, gerade in der Mitte des Buchs gibt es einige Längen, was nach dem guten Start nicht so recht passen wollte. Mir war ziemlich bald klar, wer als Täter in Frage kommen würde und so hab ich schnell zugesehen, ob meine Annahme richtig gewesen ist. Dem Autor schien es nicht anderes zu gehen, plötzlich hatte man das Gefühl, das Ende bzw der Showdown wird nur noch so runter gerattert und am Ende wird alles gut... Schade, denn die Story hätte mehr Potenzial gehabt, wenn man die ganze Trauerbewältigung kürzer gehalten, dafür die Ermittlungen mehr hervorgehoben oder auch die Grusel-Aspekte noch mehr ausgearbeitet hätte, hmmm. So ist es für mich ein gewöhnlicher Thriller zum mitknobeln, aber irgendwie auch ein Psychodrama. Dafür gibt es 3 von 5 Sternen.