Rezension

Fragen

Septembernovelle - Johan Bargum

Septembernovelle
von Johan Bargum

Bewertet mit 4 Sternen

Viel mehr Fragen als Antworten liefert dieses schmale Buch. Das beginnt schon bei der Suche nach einem passenden Genre. War es eine listige Kriminal-, eine Ehe- und Freundschafts- oder eine Seglergeschichte, die man da gerade gelesen hat? 
Auch die formalen Ansprüche an eine Novelle werden nicht erfüllt, handelt es sich doch nicht um eine linear erzählte Geschichte, sondern um zwei einander stark widersprechende Erzählabschnitte. 
Im ersten erleben wir den Banker Olaf, der in einem Monolog einem Kommissar das rätselhafte Verschwinden seines Bekannten Harald erklären muss. Harald und Olaf waren beide mit der gleichen Frau, Elin, verheiratet, die vor einiger Zeit bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben gekommen ist. Harald, der einst von ihr Verlassene, ist mittlerweile an Krebs erkrankt und bat Olaf um einen letzten, herbstlichen Segeltörn, auf dem er spurlos verschwunden ist. 
Im zweiten Teil wird uns ein Schriftstück Haralds vorgelegt, im ersten Teil schon mehrfach vom Kommissar erwähnt, das in Haralds Gepäck gefunden wurde und sowohl die Segeltour als auch die Vorgeschichte der drei schicksalhaft verbundenen Menschen in einem ganz anderen Licht schildert.
Bis zum Schluss wird weder das Verschwinden Haralds noch Elins rätselhafter Unfall geklärt. Der Leser bekommt Informationen, Bruchstücke geliefert, die sich teils widersprechen, jeder neue Gesichtspunkt schafft neue Fragen, Antworten werden kaum geboten. Die Zuverlässigkeit der Berichtenden ist in keinem Moment gesichert.
Das schafft eine unsichere, aber aufregende Lektüre. Die Puzzlestücke müssen zusammengesetzt werden, passen aber oft auf die eine und die andere Art. Welcher Version ist mehr zu trauen, aber auch welcher Version der Geschichte möchte ich als Leser lieber folgen? Das lässt Johan Bargum auf wunderbare Weise offen. 
Durch die lakonische, leicht spröde Sprache lässt sich das schmale Buch sehr schnell lesen. Das Kopf-Kino, das durch es in Gang gesetzt wird, dauert an.