Rezension

Freiheit, die ich meine.

Pretties. Pretty - Erkenne dein Gesicht, englische Ausgabe
von Scott Westerfeld

Bewertet mit 4 Sternen

Diese Reihe gefällt mir, im Original gelesen, viel besser als man meinen könnte.

Tally, unsere Heldin, hat die lang ersehnte Operation zur Verwandlung in „den perfekten Menschen“ endlich erhalten, die jeder bekommt, sobald er 16 ist. Allerdings, ob man will oder nicht. Man hatte sie ihr verwehrt an ihrem 16. Geburtstag, weil … nun, das steht im ersten Band, den ihr zuerst lesen müsst.

Aber nun ist sie perfekt. Perfekt schön. Perfekt gesund. Perfekt stark. Ströme an Champagner, Parties, Sports, whatsoever, so feiert man das perfekte Leben in der perfekten Stadt der Pretties. Leider mit einem mentalen Loch im Kopf. Das hat jeder. Weiss aber keiner. Wie eine Plastikfolie vor gewissen Gedanken und Erinnerungen, ist es, so beschreibt es Tally.

Nur durch einen Adrenalinkick bekommt die Folie, d.i. eine Gehirnlesion, Risse, Knicke, Sprünge und man kann wieder eine gewisse Zeitlang klar denken und sich an Menschen aus der Vergangenheit erinnern. Albern wie er ist, nennt es der Autor „to be bubbly“, was bedeutet: voller Adrenalin. (So kann es jeder begreifen).

Den ersten Kick musste Tally von aussen erhalten, klar, von der Aussenwelt, den Rusties oder Smokies, aber danach tut sie selber einiges dafür, um wieder Herr ihrer Sinne und vor allem, ihrer Erinnerungen zu werden.

Schließlich bricht sie aus. Flucht ist immer ein gutes Thema in einem Jugendroman. Um die New Smokies zu suchen. Dabei macht sie überaus erstaunt die Erfahrung, dass nicht ausnahmslos jeder Mensch für das Erreichen seiner Freiheit alles in Kauf nehmen möchte, Unbequemlichkeiten zuerst, Risiken, Lebensgefahr. Was ist Freiheit wert?

Nun sind wir an den Punkt gelangt, der erklärt, warum mir diese Miniserie von Scott Westerfeld ans Herz gewachsen ist, abgesehen davon, dass sie mich auch sehr nett unterhält und zum Lachen bringt, zum Beispiel, wenn Tally für eine Göttin gehalten wird, als sie auf Eingeborene trifft. (Was für ein Klischee). Oder andere, gelungenere Effekte, die ich leider nicht verraten darf. Der Roman beginnt langsam, ist erst ein bisschen tröge und entwickelt sich immer mehr zum temporeichen Abenteuerroman. I like.

Der Autor hat gute Einfälle. Was stört es da groß, dass er auch im zweiten Band nicht viel Eifer auf die Ausgestaltung seiner Figuren verwendet? Tally und ihre Freunde haben nicht mehr Persönlichkeit als Donald Duck oder Speedy Gonzales, Obelix oder Batman. Also gar keine. Never mind.

Wenn man zwischen den Zeilen der Serie liest, ist man schnell in der Gegenwart angelangt. Freiheit. Die ich meine. Da haben Generationen um sie gekämpft, in allen Erdteilen, zu allen Zeiten, die größten Opfer gebracht, und dann sagen die, die gegenwärtig Nutzer von Demokratie(n) sind, was juckt es uns, wir wollen es bequem haben und einen starken Mann, der uns sagt, wo es lang geht.

Manche Probleme werden im Roman direkter, aber kurz, angesprochen, beispielsweise die Überbevölkerung: „What if there had been millions of Smokies? Billions of them, soon enough? Outside of our self-contained cities, humanity is a disease, a cancer on the body of the world.“

Auf persönlicher Ebene hat wohl jeder mal erfahren, dass „getting what you wanted never turned out the way you’d thought it would.“

So bringt Westerfeld dem jungen Leser nahe, dass Perfektion um jeden Preis einen Preis hat, der es vielleicht doch nicht wert ist. Falls der geneigte junge Leser diese Erkenntnis wahrnehmen möchte. Wenn nicht, wird er einfach gut unterhalten. Ein wenig Kiss and Love inbegriffen. Muss ein Erwachsener in Kauf nehmen, ist aber nicht so schlimm.

Der erwachsene Leser tut gut daran, sich im Englischen zu üben und im Original zu lesen! Das Vokabular ist nicht anspruchslos, der Satzbau dagegen schon. Der Roman hätte einen Phrasenpflug gebraucht, garantiert auf jeder zweiten Seite wird nach Luft geschnappt, dass es eine Freude ist, sonst ist er sprachlich ok.

Trotz gewisser Schwächen, amüsiere ich mich bestens, werde durch einige Wendungen überrascht und das Ende gefällt mir so gut, dass ich auch den nächsten Band „Specials“ lesen werde.

Fazit: Der Anspruch steckt unter der Decke. Wenn man will, kann man ihn achselzuckend überlesen und die Demokratie weiterhin durch Nichtwählen (Echtzeit/Echtwelt) und dem Ruf nach einem starken Mann, mit Füßen treten und dann endgültig abschaffen. Freiheit, die ich meine, hat einen Preis.

Kategorie: Jugendbuch. 12 bis 16
Verlag: Simon & Schuster, 2011

Kommentare

Emswashed kommentierte am 26. Mai 2019 um 07:59

Bis zu den Specials habe ich nicht durchgehalten. Vielleicht liegts ja doch an der deutschen Ausgabe!

Gittenen Bücherfresserchen kommentierte am 13. Juni 2019 um 00:03

Ich habe auch noch Extras gelesen, alle im Original

wandagreen kommentierte am 13. Juni 2019 um 01:16

Gittenen - wer bist du? Die echte Brunhilde, reinkarniert?

Gittenen Bücherfresserchen kommentierte am 04. Februar 2020 um 12:00

ich bin alterslos,undurchschaubar,vielfältig interssiert-kurz in keine Schablone oder Schublade zu stecken.

aber wenn du möchtest,athene wäre mir lieber