Rezension

Fulminanter Roman

Effingers - Gabriele Tergit

Effingers
von Gabriele Tergit

Bewertet mit 5 Sternen

ein fulminanter Familienroman, auf den man sich einlassen muss – absolute Leseempfehlung

Gabriele Tergit erzählt die Geschichte der Familien Effinger und Goldschmidt über einen Zeitraum von etwa 70 Jahren, beginnend mit den 70iger Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Enkeltochter des Bankiers Goldschmidt, Klärchen Oppner heiratet den Sohn des Kragheimer Uhrmachers Paul. Diese beiden stehen zwar im Mittelpunkt des Romans, jedoch nehmen auch ihre Geschwister und weitere Verwandte einen großen Raum ein. Jede und jeder ist ein Individuum. Der strebsame, ehrliche und sparsame Paul gründet mit seinem Bruder Karl eine Fabrik. Paul gönnt sich nur wenig und steckt den Gewinn in die Fabrik, während Karl mit seiner schönen Frau Annette durchaus zu leben weiß.

Gabriele Tergit beschreibt das alltägliche Leben der Familien sehr detailliert, während die vielen Charaktere teilweise etwas blass bleiben. Es gibt neben Paul, Karl und ihren Gattinnen Lebemänner, die ohne jegliche Arbeit immer genügend Geld haben, es gibt Künstlerinnen wie Sofie und Lotte, es gibt die weltgewandte Eugenie, Pauls ältesten Bruder Benno, der nach England ausgewandert ist und viele, viele weitere Personen. Es ist nicht immer ganz leicht, den Überblick zu behalten. Liebesaffären, überstürzte Verlobungen und komplizierte Verbindungen gehören ebenfalls dazu. Mitunter erscheint es fast ein wenig zu viel, zeigt die Autorin doch das Leben in allen Facetten. Das Judentum spielt fast nur noch beim Uhrmachermeister Effinger, Pauls Vater, eine Rolle, der tagtäglich in die Synagoge geht. Das ändert sich, als die Nationalsozialisten auf dem Vormarsch sind. Hier ändert sich auch Tergits Schreibstil. Fließt er über weite Strecken gemächlich mit detalliertesten Beschreibungen von Menüs, Garderoben, Architektur und Einrichtungsstilen dahin, wird er mit den Ereignissen des ersten Weltkrieges völlig anders. Die Kapitel werden kürzer und die Erzählung atemloser, hektischer.

Gabriele Tergit begann mit der Arbeit an diesem, ihrem zweiten Roman 1932 und beendete ihn 1950. Wer ihn liest, versteht, warum eine Veröffentlichung schwierig war.

Ein wichtiges und ausgezeichnetes Nachwort von Nicole Henneberg trägt zum Verständnis bei.

Fazit: ein fulminanter Familienroman, auf den man sich einlassen muss – absolute Leseempfehlung