Rezension

Ganz besondere Erzählweise

Weil da war etwas im Wasser -

Weil da war etwas im Wasser
von Luca Kieser

Bewertet mit 5 Sternen

Wo fängt man an bei einer Geschichte, die eigentlich nicht nur eine einzige Geschichte ist, sondern gleich ein ganzes Geflecht? Die sieben Generationen in der Zeit zurück und tausende Meter tief bis auf den Grund des Ozeans reicht? Die mit jedem Satz klarer erkennen lässt, wie sehr alles mit allem (und zwar wirklich ALLES mit ALLEM) verbunden ist?

Vielleicht fängt man tatsächlich am besten dort an, wo auch der Text selbst beginnt: bei den acht Armen eines Riesenkalmars. Denn während dieser durch die Weltmeere schwimmt, sind es seine Arme, die ein Eigenleben entwickeln und gemeinsam dieses Geflecht an Geschichten erzählen. Und darin geht es um Sanja, die während eines Praktikums auf einem Frosttrawler nicht nur nach Krill, sondern vor allem auch sich selbst sucht; um Dagmar, die für einen Geheimdienst arbeitet und in der Antarktis stationiert ist; um Minenarbeit, Deutschland zur NS-Zeit, die Entstehung des Weißen Hais, häusliche Gewalt, ja selbst um Jules Vernes. Und dazwischen gibt es immer wieder alle möglichen kulturellen Verweise, es geht um Nachhaltigkeit, Leben in der Tiefsee, Umweltschutz, Beschneidung, transgenerationale Traumata. Sogar um Peter Wohlleben und Omega-3-Fettsäuren.

Ist das viel? Ja.
Ist das manchmal anstrengend? Ja.
Lohnt sich das? Ja!

"Weil da war etwas im Wasser" ist kein Roman zum Einfach-Weglesen. Man muss dranbleiben, man muss mitdenken, vielleicht das ein oder andere googeln. Und doch wird es weder langweilig, noch verlieren sich die zahlreichen Fäden einfach im Nirgendwo. Alles ist verbunden, auch dadurch, dass die unterschiedlichen Handlungsstränge selten am Stück erzählt werden, sondern sich abwechseln, teilweise ineinander eingebettet sind, sich gegenseitig ebenso auslösen wie erklären. Das zeigt auch der ständige, unterhaltsame "Kampf" der Arme darum, wer jetzt eigentlich mit dem Erzählen dran ist.

Fast fühlt man sich ein bisschen wie in einem RPG, wenn in den Fußnoten (ja, es gibt Fußnoten!) mal wieder einer der Arme darauf verweist, dass man doch jetzt bitte endlich seine Geschichte lesen möge, dazu einfach auf Seite XY vorblättern, danke, bis gleich.

Der Roman ist gleichermaßen humorvoll und ernst, hat einen gewissen Sachbuchcharakter und lässt gleichzeitig ganz tief eintauchen (ich musste einfach!) in die Leben seiner Protagonist:innen. Manchmal fragt man sich, worum genau es gerade eigentlich geht, wo die Geschichte gerade ist und wie sie dort hingekommen ist; aber das macht nichts, weil schon bald darauf alles wieder Sinn ergibt und sich die losen Enden verknüpfen. Was am Ende bleibt, ist keine stringente Geschichte, sondern etwas Rundes, ein Stück... ja, was? Zeit? Materie? das zusammenhängt, obwohl es aus vermeintlich vollkommen inhomogenen Bestandteilen zusammengesetzt ist. Das bringt es vermutlich alles nicht wirklich auf den Punkt, aber besser erklären kann ich es nicht. Lest am besten einfach selbst.