Rezension

Gefühlvoller Einblick unter die Linden: Jahreshighlight!

Drei Tage im August -

Drei Tage im August
von Anne Stern

Bewertet mit 5 Sternen

Die Geschichte spielt 1936 im August in Berlin, als dort die Olympischen Spiele ausgetragen wurden, über tatsächlich nur drei Tage. Die Leser/innen begleiten etliche Personen, die in der Straße „Unter den Linden“ arbeiten oder leben. Elfie führt die Chocolaterie Sawade, deren Tätigkeit dabei ihre düsteren Tage aufhellt. Franz ist jüdischer Buchhändler. Die alte Madame Conte lebt schon seit Jahrzehnten in der Straße. Darüber hinaus gibt es noch einige andere Charaktere, die manchmal nur einmal, vielleicht auch öfter eine Rolle spielen. Die Vielzahl der Figuren ist aber nie zu viel oder chatoisch, da sie alle anschaulich beschrieben werden und zu der großen Rahmenhandlung der Straße beitragen. Die Bäume, die Linden, kommen auch in ein paar Kapiteln zu Wort, was die Geschichte noch besonderer macht. Bäume sind beständig, weise und verkörpern Leben, wie könnte die Vergangenheit und Gegenwart „Unter den Linden“ denn besser beschrieben werden als durch sie? Die Worte, Atmosphäre und Gedanken der Bäume sind wunderschön und geben der Geschichte noch einen besonderen Touch.

>> Was sind wir Menschen denn ohne Schönheit? [...] Es ist doch unsere Rettung vor dem Alltag, diesem grauen Gespenst, das uns Tag für Tag einhüllt. << Issa, S. 162

Schon auf den ersten Seiten des Buches war ich begeistert. Nach einem kurzen Prolog beginnt die Geschichte als Elfie und Franz parallel ihre Geschäfte für den Tag vorbereiten und öffnen. Sie gehen in Gedanken ihren Tätigkeiten nach, wodurch ich sie sehr genau kennenlernen und die Ängste und Gefühle der beiden gut nachvollziehen kann. Anne Stern beschreibt alles sehr anschaulich, aber nie zu langatmig und hat immer die passenden Worte, egal ob für die Emotionen der Charaktere oder die Stimme der Linden. Wir begleiten immer mehr Buchfiguren in ihrem noch ruhigen Morgen in der von Bäumen gesäumten Straße, weiter über die nächsten Tage hinweg, die viel turbulenter, manchmal auch gefährlicher und vor allem emotionaler werden. Ich finde all die unterschiedlichen Charaktere und damit Perspektiven sehr schön, weil man dadurch ein umfassendes Bild von dem Leben unter den Linden erhält. Diese Geschichte ist wie ein kurzer Blick durchs Schlüsselloch, ein Blick über nur drei Tage auf viele Personen, die „Unter den Linden“ arbeiten oder wohnen, ein intensives Eintauchen in deren Leben. Eine kleine Momentaufnahme Berlins zwischen der sonnigen Euphorie der Olympischen Spiele und den langen Schatten, die das Naziregime auf die Bewohner/innen werfen. Man sieht auch, wie schwierig es viele Charaktere in Zukunft haben könnten, weshalb ich zum Ende hin ein paar Tränen vergießen musste und es sehr emotional wurde, aber andererseits habe ich die Figuren so gut kennengelernt, dass ich mir sicher bin, dass sie ihren Weg machen werden.

>> Wir singen das Lied von Berlin. Wir säuseln, wir rascheln, wir wispern und rauschen. Wir klappern mit den Ästen das Auf und Ab der Jahreszeiten, Lebenswege, Zeitläufe. << S. 66

 

Fazit:
„Drei Tage im August“ nur folgt man dem Leben der Menschen, die „Unter den Linden“ in Berlin arbeiten oder leben, und erhält doch ein sehr umfassendes Bild von ihnen. Besonders die Kapitel aus Sicht der Linden haben es mir angetan, sowie das immer emotionaler werdende Ende. Ich liebe dieses Buch und kann es jedem Fan von historischen Romanen und vom Leben gezeichneten & starken Charakteren empfehlen.