Rezension

gegen das Vergessen

Geigen der Hoffnung - Titus Müller, Christa Roth

Geigen der Hoffnung
von Titus Müller Christa Roth

Bewertet mit 5 Sternen

„...Konnte man einen Sinn für die Würde und Schönheit der Musik besitzen und gleichzeitig Menschen zu Tode foltern?...“

 

Das Buch wurde von Christa Roth und Titus Müller geschrieben. Christa Roth erzählt das Leben des Geigenbauers Amnon Weinstein, Titus Müller das Schicksal der Brüder Marek und Stani im Konzentrationslager Dachau.

Amnon ist Jude. Seine Eltern haben Vilnius rechtzeitig verlassen und in Israel eine neue Heimat gefunden. Anfangs war das Schicksal seiner Familie für Amnon kein Thema. Das sollte sich ändern, als er die Geigenbaufirma seines Vaters übernommen hat. Plötzlich hielt er Geigen in der Hand, mit denen in deutschen Konzentrationslagern gespielt worden war. Viele der Geiger haben nicht überlebt.

Den Autoren ist es gelungen, durch eine abwechslungsreiche und tiefgründige Erzählung die Erinnerung nicht nur an jüdische Musiker und Geiger wach zu rufen.

Der Schriftstil ist ausgewogen. Bei Christa Roth überwiegt ein sachliches Erzählen. Titus Müllers Part ist emotionaler. Das liegt auch an der Thematik.

An Amnons Beispiel wird klar, dass die Nachkriegsgeneration Probleme mit dem Opferstatus ihrer Eltern hatte. Als er dann eine Geige in der Hand hält, in der sich Asche befand, wurde die Vergangenheit zur Gegenwart. Nun widmet er sich den ramponierten Geigen, richtet sie wieder her und lässt sie von Orchestermusikern spielen. Gleichzeitig informiert er sich über die Geschichten, die hinter den Geigen stehen. Die Violins of Hope treten ihren Zug um die Welt an.

Amnons Frau Assi blickt auf eine andere Familiengeschichte zurück. Auch sie hat Angehörige verloren, die aber als Partisanen hinter den deutschen Linien und später in der roten Armee gekämpft haben.

Sehr gut gefallen haben mir die vielfältigen Informationen über jüdische Musik, die Tradition der Geiger und das jüdische Leben in Osteuropa, insbesondere in Vilnius.

Marek und Stani werden aus einem Ghetto bei der Annäherung der Roten Armee nach Dachau gebracht. Mareks Überlebenschancen stehen anfangs schlecht, denn der SS-Mann Köcher zertritt seine Geige und will ihn brechen. Doch der Kapo Willi nimmt sich der Brüder an. Willi ist Kommunist und hat sich seine Menschlichkeit in all den Jahren seiner Lagerhaft bewahrt. Er sorgt dafür, dass die beiden nicht in den jüdischen Block kommen. Marek erhält die Chance, im Lagerorchester zu spielen.

Das Eingangszitat stammt von Marek. Er stellt weitere ähnliche Fragen. Sein Ziel ist es, zumindest seinem Bruder das Überleben zu sichern. Als Geiger erhält er bessere Nahrung als die anderen. Davon gibt er ab. Trotzdem hat er ein schlechtes Gewissen, denn er weiß, was sie mehr bekommen, erhalten die andern Häftlinge weniger. Doch wer überleben will, muss Kompromisse machen.

Dass eine geniale musikalische Gabe nicht vor dem tod schützt, zeigt sich am Beispiel eines jungen russischen Trompeters. Am Abend unterhält er mit dem Orchester und als Solist die Bewacher des KZs, am nächsten Tag ist er einer der russischen Gefangenen, die kaltblütig erschossen werden.

Die Gefangenen spüren, dass der Krieg sich dem Ende zuneigt. Dabei fällt das folgende Zitat.

 

„...Bevor es vorbei ist, ...bringen sie uns Juden noch um. Dann haben sie wenigstens an einer Front gewonnen...“

 

Sehr bewegend war die Gegenüberstellung zweier Ärzte. Der eine, selbst Häftling, versucht zu retten, was zu retten ist. Für den anderen sind die Häftlinge Forschungsobjekte.

Ein Nachwort und ein Quellenverzeichnis ergänzen die Geschichte. Im Nachwort wird auf dargelegt, wer welchen realen Personen entsprach.

Das Buch hat mich tief berührt. Zweite Kapitel beginnt mit einem Zitat von Vaclav Havel. Damit möchte ich meine Rezension beenden.

 

„...Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat - egal wie es ausgeht...“