Rezension

Genial

Das grüne Rollo - Heinrich Steinfest

Das grüne Rollo
von Heinrich Steinfest

Bewertet mit 5 Sternen

Wie ein Buch besprechen, von dem man eigentlich nichts erzählen sollte, um der Leserin und dem Leser nicht den Spaß zu nehmen? Um nichts davon vorwegzunehmen, wie das Rätsel seines Inhalts einer genialen Auflösung zusteuert, die wiederum ebenso einfach wie genial aufgelöst wird?

Ich konzentriere mich auf das, was im Klappentext steht, gehe aber ein bißchen darüber hinaus: Vor dem Fenster des Jungen Theo erscheint eines Nachts ein grünes Rollo, aus dem heraus ihn Männer mit Ferngläsern betrachten. Er kann Einzelheiten dieser anderen, grünen Welt erkennen. Jeden Abend um 23:02 Uhr erscheint dieses Rollo, das tagsüber verschwindet. Theo läßt sich in diese Welt hineinsaugen und verläßt sie wieder, betritt sie erneut, um einem Menschen zu helfen. In seiner Welt zurück, wird ein Teil jener anderen, grünen Welt zum selbstverständlichen Bestandteil der ersteren.

Dies alles ist lange Jahre vorbei, und Theo betrachtet die grüne Welt nur noch als Kindheitsphantasie, steht voll im Berufsleben, als das grüne Rollo plötzlich wieder da ist. Auf Teil I des Buchs (»Das grüne Rollo – der erste von zwei, womöglich drei Teilen«) folgt Teil II: »40 Jahre später oder Furcht und Schrecken« und schließlich noch »Der womöglich dritte Teil«.

Das Buch ist ungewöhnlich gestaltet: Nicht nur, daß der Zwischentitel jedes Teils mit der differenzierten Zeichnung eines Rollos versehen ist: Zudem ist das, was in jener anderen Welt spielt, in grüner Schrift gedruckt. Es gibt auch in diesem Buch Steinfests Sprachwitz, seine außergewöhnlichen Bilder und skurrilen Vergleiche, aber weniger als z. B. im »Allesforscher«: »Das Grüne Rollo« ist mehr auf die Entwicklung der Geschichte hin geschrieben, entfaltet eine skurrile Handlung.

Was Theo in jener Welt erlebt (und auch in »unserer«), soll hier nicht näher beschrieben werden; bei der Auflösung der rätselhaften Vorgänge kam mir spontan das Wort »genial« in den Sinn. Und dann kommt noch Teil 3.

»Das grüne Rollo« spielt mit Realität, relativiert die Wahrnehmung von Realität, und wenn das Buch »fertig«, die letzte Seite gelesen  ist, ist die Lektüre eigentlich nicht beendet, sondern vor dem geistigen Auge erscheint das bisher Gelesene mit seinen Szenen erneut – jetzt unter dem Gesichtspunkt dessen betrachtet, was man am Schluß erfährt.

Daß man aber ein Buch nicht als »fertig« ablegt, wenn man am Ende angekommen ist, sondern daß es weiterwirkt, gehört sicher zum Besten, was man über Bücher sagen kann. Ich hoffe, dieser Versuch einer Rezension hat genug verraten und blieb rätselhaft genug, um diesem Buch viele Leser zu gewinnen.

PS: Leider ist hier, in der Datenbank der Mayerschen, im Moment der schön gestaltete Schutzumschlag bei der Buchausgabe nicht zu sehen - der ist aber zu besichtigen, wenn man das eBook aufruft.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 31. März 2015 um 19:02

Das verstehe ich auch nicht, gerade bei neuen Büchern, dass man kein Cover zum Vorzeigen hat, Cover gehören zu Büchern, sie sind sonst nicht vollständig angezogen. Geheimnissvoll ist es schon ...ja, gar nicht so leicht, wenn man keine Butter zu den Fischen geben darf, die Spoilerfunktion hülfe vielleicht...? Jedenfalls hört man Begeisterung heraus, das muss ja wohl mal fürs erste genügen.

Steve Kaminski kommentierte am 31. März 2015 um 19:14

Du erinnerst mich daran, dass ich die Leute von der Mayerschen fragen wollte, ob sie das Cover nicht ergänzen können.

Es macht auch Spaß, ein wenig rätselhaft zu rezensieren, sodass es niemand genau verstehen kann, wie mit der Auflösung die aufgelöst wird...

wandagreen kommentierte am 31. März 2015 um 20:33

Ahhh  .... so einer bist du! ;-). I see, ich muss den Autoren jetzt doch mal "ausprobieren". Appelfeld, deine Empfehlung, war ja ein Volltreffer!

Steve Kaminski kommentierte am 31. März 2015 um 22:49

Jaaa! Wobei Steinfest was ganz anderes ist als Appelfeld - ich mag beides: das einfache, Klare und das Spielerische.